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0261 - Im Schatten des Würgers

0261 - Im Schatten des Würgers

Titel: 0261 - Im Schatten des Würgers
Autoren: Rolf Kalmuczak
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Besucher vor dem Eintritt zurückschrecken zu lassen. Unmittelbar hinter dem Vorhang begann linker Hand die Bartheke mit kühnem Schwung. Über der Theke hingen schmiedeeiserne Laternen und allerlei Gerümpel aus dem europäischen Mittelalter. — Nun, über Geschmack und Dekorationszwecke läßt sich streiten. Keinesfalls streiten ließ sich über die neuzeitliche Bardame, die wir später als Shirley Scott identifizierten. Sie war groß, blond und kalt wie eine Mondnacht in der Arktis. Bei einem Schönheitswettbewerb hätte sie unter ihren Kolleginnen nur Feinde gehabt.
    Die Bar konnte seit höchstens einer Viertelstunde geöffnet haben, aber der Betrieb war bereits beachtlich.
    Pihl hatte sich auf einen Hocker geschwungen. Er erhielt in diesem Augenblick seinen Drink und dankte der blonden Schönheit mit einem Blick, den ich bisher nur zweimal an ihm gesehen habe. — Einmal, als wir hundertfünfzig Dollar Gehaltserhöhung bekamen und nicht damit gerechnet hatten. Und ein anderes Mal, als er eine Wette um zehn Flaschen Whisky gewann, die ich natürlich bezahlen mußte. — Phils Blick war also Begeisterung von oben bis unten.
    Gordon hievte seine zwei Zentner auf den einzigen Barhocker mit roter Bespannung, und ich kletterte rechts neben ihn bis auf Augenhöhe mit der Barmaid. — Wir saßen nicht unmittelbar in Phils Nähe, aber doch so, daß wir uns gegebenenfalls mit Blicken verständigen konnten.
    Wir hatten noch keinen bestimmten Plan gefaßt, sondern wollten unser Vorgehen davon abhängig machen, wie Shirley Scott sich verhalten würde.
    Wir wären gern bei diesem Plan geblieben, aber Louis Gordon schien für den kürzeren Weg zu sein. Vielleicht war es auch seine Vorstellung von Diplomatie, als er sich vertraulich zu der Blonden beugte und mit einem Gesicht, das wahrscheinlich freundlich sein sollte, sagte:
    »Ich bin ein Freund von Malcolm. Ist er hier?«
    Phil verschluckte sich an seinem Whisky. Tränen traten in seine Augen, und ich wußte nicht, ob das auf plötzliche Atemnot zurückzuführen sei, oder ob er über Gordons Dummheit weinte.
    Die Blondine betrachtete Gordon einen Augenblick prüfend, dann sah sie sich suchend in der Bar um. Ihre Blicke wanderten bis in die entfernteste Ecke. Dann zeigte die Barmaid auf einen kernigen Sportsmann-Typ, der mit einer rassigen Dame in einer Nische saß.
    »Dort sitzt er. — Soll ich ihn rufen?«
    Gordon starrte erst in die angegebene Richtung und dann verständnislos auf die Bardame.
    »Das ist doch nicht Malcolm.«
    »Natürlich ist er das: Malcolm Miller, Importeur von Südfrüchten. Vor allem Bananen. Sie sollten sie mal probieren. — Millers Bananen sind die besten.« — Ihr Gesicht blieb so ausdruckslos wie das einer Pokerspielerin mit hundertjähriger Lebenserfahrung.
    »Malcolm Miller?« fragte Gordon dumm. »Den meine ich doch nicht!«
    »So? Ich dachte. Einen anderen Malcolm kenne ich nicht!«
    Sie wandte sich ab, als ein anderer Gast an die Bar trat. Aber Gordon ließ es nicht bei dieser Dummheit.
    »Verzeihung, Miß Scott«, rief er. Die Blondine drehte sich um und sah ihn teilnahmslos an.
    »Ja, bitte?«
    »Ich möchte noch einen Whisky«, sagte Gordon und schüttete sein volles Glas auf einen Zug herunter. Er erhielt einen neuen Drink. Als die Bardame sich jetzt um den neuen Gast kümmerte, wandte sich Gordon mit einem verschmitzten Lächeln an mich.
    »Schlau, was! Sie hat auf meine Anrede — Miß Scott — reagiert. Also ist sie es auch.«
    Ich sagte nichts, sondern starrte verzweifelt in mein Whiskyglas. Gordon war schlimmer, als wir uns hätten träumen lassen. Wenn er so weitermachte, würde man uns bald in Stücke reißen.
    Er hatte jetzt so gut wie alles verpatzt, und während der nächsten Minuten tranken wir schweigend. Als ich zu Phil blickte, gab er mir einen Wink mit den Augen. Dann stand mein Freund auf und bewegte sich in Richtung Tür mit der Aufschrift »Gents« davon. Ich folgte ihm nach einer halben Minute.
    Der Waschraum für Herren lag ganz am Ende der Bar. Man mußte mehr als zwanzig Yard laufen. Auch hier war der Filzvorhang schwer und grün. Ich schob ihn beiseite und trat in den Waschraum.
    Phil ließ sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, drehte den Kopf und sagte:
    »Hältst du das für möglich? Der Kerl muß einen Sonnenstich haben.«
    »Viel schlimmer«, erwiderte ich. »Es ist seine Normalform.«
    »Jetzt gibt's nur eins. Wir müssen herausbekommen, wo die Scott wohnt. Wahrscheinlich steckt Malcolm Messer
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