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0235 - Ein Boxer wehrt sich seiner Haut

0235 - Ein Boxer wehrt sich seiner Haut

Titel: 0235 - Ein Boxer wehrt sich seiner Haut
Autoren: Ein Boxer wehrt sich seiner Haut
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konnte nichts Außergewöhnliches an ihrem Gespräch beobachten. June hielt sich ängstlich an ihre Absprache mit mir und gab sich die größte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, was ihr allerdings nur schlecht gelang.
    Zu spät bemerkte ich, dass ich einen schweren Fehler gemacht hatte. Keine drei Schritte von meinem Platz war die Tür mit der Aufschrift Ladies. Sie stand auf und ging darauf zu. Dann sah sie mich und starrte mich an wie ein Gespenst. Ich glaubte schon, sie würde schreien, aber sie verschwand nur eiligst hinter der Tür und schlug diese hart ins Schloss.
    »Haben Sie einen Hinterausgang?«, fragte ich den Barkeeper.
    »Ja, zum Hof und von dort in die 28. Straße, aber warum interessiert Sie das? Wenn Sie dorthin verschwinden wollen, so können sie auch durch die Herrentoilette gehen. Die Hauptsache ist, dass Sie mir vorher einen Döllar zwanzig für den Drink bezahlen.«
    Ich bezahlte ihm sogar eineinhalb Dollar und machte mich auf den angegebenen Weg. Ich brauchte also meinen Fahrer gar nicht zu bemühen. Ich folgte ihr und winkte dem Taxi, hinter mir zu bleiben. June ging die kurze Strecke bis zum nächsten Taxistand und stieg ein. Mein Chauffeur war eine Perle, Gerade fuhr ihr Cab ab, als er neben mir bremste.
    Es waren wenige Minuten bis zum Waldorf Astoria. Dort stieg June aus und ließ das Taxi warten. Ich blieb in meinem Wagen sitzen und wer beschreibt mein Erstaunen, als Jack Carver ebenfalls mit seinem alten Ford ankam, diesen hundert Fuß vom Hotel entfernt stoppte und dann vorsichtig in der Absicht, auf keinen Fall gesehen zu werden, näherkam.
    Er stellte sich hinter einen Pfeiler und behielt die Eingangstür zum Waldorf im Auge. Drei Minuten später kam June zurück, und erst dann schien er befriedigt zu sein. Jetzt bedauerte ich, dass ich allein war. Ich wusste nicht, wem von beiden ich folgen sollte. Zum Schluss entschloss ich mich für das Mädchen.
    Ihr Taxi schlug den Weg in die Bronx ein, und ich dachte schon, sie werde direkt nach Hause fahren, aber sie ließ ihr Cab an der 116. Straße halten und bezahlte. Dann ging sie ein Stück nach Westen und verschwand im Park Casino. Ich tat es ihr nach.
    ***
    Das Park Casino war mir bekannt. Es war ein vornehmes Lokal, in dem sich am Nachmittag die Damen der oberen Zehntausend und am Abend ihre Söhne und Töchter zu treffen pflegten. Eine diskrete Kapelle spielte Wiener Walzer, Tangos und andere vornehme Musik. Es gab hier eine der besten Küchen von New York und die wahrscheinlich beste Bedienung überhaupt. Ich zog den Hut in die Stirn, bevor ich eintrat und war freudig überrascht, als ich sah, dass June mir den Rücken zudrehte.
    Sie saß bei einem eleganten Herrn von vielleicht vierzig Jahren, der sich sichtlich um sie bemühte. Der Kellner brachte Cocktails, und obgleich beide sich korrekt benahmen, glaubte ich aus den Blicken, die sie tauschten, schließen zu können, das sie sich recht gut kennen mussten.
    Der Mann, der mit seinem tiefschwarzen, tadellos gescheitelten Haar und den kleinen, koketten Schnurrbärtchen außerordentlich gut aussäh, schob ihr die Speisenkarte hinüber und dann steckten beide die Köpfe zusammen und beratschlagten.
    Sieh da. Die kleine June, die so verliebt tat und mich beschworen hatte, ihren Freund, den sie in nächster Zeit zu heiraten gedachte, zu retten, schien noch andere Männerbekanntschaften zu haben, und zwar solche, mit denen der liebe Jacky absolut nicht konkurrieren konnte.
    Als ich die beiden bestellen sah, wurde auch ich hungrig. Keine zwanzig Fuß von ihnen entfernt tafelte ich, leider allein und weniger opulent, und als der Kellner mir zum Abschluss einen Mocca und Brandy brachte, fragte ich so beiläufig, ob er das Pärchen kenne.
    »Ich sehe die beiden heute zum zweiten oder dritten Mal, aber ich weiß nicht, wie sie heißen, wenigstens abgesehen von den Vornamen. Er nennt sie June und sie ihn Louis.«
    Ich zahlte und bereitete auf alle Fälle die Times aus, in die ich nach bewährten Muster mit der Zigarette ein Loch gebrannt hatte, das mich befähigte, die zwei im Auge zu behalten.
    June redete viel und mit lebhaften Gesten, während ihr Begleiter lächelnd zuhörte, hier und da eine Zwischenbemerkung machte und ein oder zwei Mal seine Hand auf die ihre legte. Ich hätte etwas darum gegeben, zu wissen, um was es sich da handelte.
    Der Mann ging zu meiner Überraschung allein und als erster. June blieb noch ein paar Minuten sitzen, stützte den Kopf in die Hand, als ob sie
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