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023 - Im Zeichen des Boesen

023 - Im Zeichen des Boesen

Titel: 023 - Im Zeichen des Boesen
Autoren: Ernst Vlcek
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an die zweite Möglichkeit zu glauben.
    »Ist niemand da?« rief er.
    Ihm war, als hörte er aus den hinteren Räumen schlurfende Schritte und verhaltenes Stimmengemurmel, aber diese Geräusche gingen in dem Lärm unter, den die anderen Fremden verursachten, als sie den Schankraum der Herberge betraten. Die Kerzenflammen des siebenarmigen Leuchters, der auf der veralteten Registrierkasse stand, flackerten unruhig im Luftzug, Dorian stellte sich schützend davor, damit sie nicht ausgehen konnten. Neben ihm tauchte Vukujev auf und kicherte nervenaufreibend. Er schlängelte sich behende durch die Tischreihen und schlürfte nacheinander die Reste aus den Gläsern.
    Lilian drängte sich an Dorians Seite und flüsterte: »Komm, laß uns gehen! In dieser Räuberhöhle würde ich nicht einmal für viel Geld übernachten.«
    »In unserer Lage dürfen wir nicht so wählerisch sein, Frau Hunter«, sagte Dr. de Buer und wischte mit der Hand naserümpfend über ein staubbedecktes Regal an der Wand.
    »Hier scheint man auf unsere Devisen keinen Wert zu legen«, sagte Roberto Copello. »Dabei dachte ich, Österreich sei ein gastfreundliches Land.«
    »Das hier ist nicht das Österreich, für das man in den Reisebüros wirbt«, erklärte Jörg Eklund und spreizte die Hände geziert. »Ich war schon einmal mit meiner verstorbenen Frau in diesem Land, aber das war damals ganz anders.«
    »Sie waren verheiratet?« erkundigte sich Lilian gegen ihren Willen.
    »Ja«, erklärte Eklund und lächelte süffisant. »Elvira war dreißig Jahre älter als ich. Man fand sie eines Tages tot auf. Sie war furchtbar zugerichtet, als wäre sie von einem Rudel Wölfe überfallen worden – sagte die Polizei.
    Eine befriedigende Erklärung konnte man nicht finden.«
    »Das ist ja furchtbar«, meinte Lilian.
    »Furchtbar?« Eklund spitzte die Lippen. »Ich habe ein Vermögen geerbt. Das ist doch nicht furchtbar.«
    Einige der anderen lachten.
    Lilian fröstelte. In welche Gesellschaft war sie da geraten!
    »Jablonsky!« brüllte Vukujev durch die Schankstube. »Gäste sind da.«
    Aus den hinteren Räumen ertönte eine Stimme, aber der Sprecher ließ sich nicht blicken.
    »Ich habe keine Zimmer frei. Das ist deutlich zu lesen. Verschwindet wieder!«
    »Aber hier sind Fremde. Touristen. Willst du, daß sie im Wald übernachten?« fragte Vukujev mit seiner schrillen Stimme und kicherte anschließend.
    »Ich werde mir den Besitzer der Herberge einmal vornehmen.« sagte Dorian entschlossen und machte Anstalten, die Privaträume des Gastwirts aufzusuchen. In diesem Moment glitt eine Seitentür auf, und ein Mädchen huschte in den Schankraum. Sie war kaum ein Meter sechzig groß und stämmig. Trotz ihrer schlampigen Kleidung war zu erkennen, daß sie eine gute Figur hatte, und der Schmutz in ihrem Gesicht konnte nicht verbergen, daß sie hübsch war.
    »Anja!« rief Vukujev überrascht aus.
    Das Mädchen machte: »Pst!« und legte den Zeigefinger an die Lippen, während der Blick ihrer großen, mandelförmigen Augen verstohlen zu der Pendeltür glitt, die zu den Privaträumen führte. Dann schürzte sie ihren Kittel und kam lautlos herangeeilt. Vor Dorian blieb sie stehen und blickte flehend zu ihm auf.
    »Sie verstehen, was ich sage? Ich habe gehört, daß Sie Deutsch sprechen, Herr«, raunte sie im Dialekt der Einheimischen, was sich seltsam anhörte, weil sie mit einem slawischen Akzent sprach.
    »Sie müssen mir helfen, Herr. Bringen Sie mich von hier fort! Bitte! Ich habe Angst.«
    Dorian wollte schon fragen, wovor sie sich denn fürchtete, als er das Amulett sah, das sie an einer Schnur um den Hals trug. Er griff danach und wog es in der Hand. Es war ein Pentagramm darauf abgebildet, das von den Schriftmotiven aus der Kabbala eingerahmt war.
    »Warum tragen Sie das Amulett?« erkundigte sich Dorian.
    »Es schützt mich vor den Dämonen«, antwortete das Mädchen scheu.
    Sie wirkte intelligent, und wahrscheinlich befürchtete sie, der Fremde würde sie wegen ihres Aberglaubens belächeln. Aber Dorian lachte sie nicht aus. Das ließ sie neuen Mut schöpfen.
    Hastig fuhr sie fort: »Aber ich fühle, daß ich in der kommenden Vollmondnacht hier nicht mehr sicher bin. Bitte, beschützen Sie mich! Ich werde alles tun, was Sie von mir verlangen, nur nehmen Sie mich mit!«
    »Anja!«
    Die Pendeltür wurde aufgestoßen, und ein grobschlächtiger Mann mit einem grauen, verfilzten Vollbart stürmte in die Schankstube.
    »Was treibst du dich hier herum, Miststück?«
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