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0228 - Ratten-Tanz

0228 - Ratten-Tanz

Titel: 0228 - Ratten-Tanz
Autoren: Werner Kurt Giesa
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und linke Hand.
    »Wollen Sie das wirklich wissen?« fragte Maidonnes seltsam betont und wandte sich ab.
    In den Augen des Toten, in die Netzhäute eingebrannt, hatte er einen großen Rattenschädel gesehen…
    ***
    Kurz vor Kernéléhen ließ Nicole Duval den Cadillac ausrollen und lenkte ihn halb von der Straße herunter, damit andere Autos oder Fuhrwerke wenigstens halbwegs vorbei konnten. Zamorra grinste hinterhältig.
    »Bist du eigentlich sicher, Traum meiner schlaflosen Nächte, daß das Unikum von Riesenauto nicht mit den Rädern einsackt? Immerhin stehst du halb im Acker.«
    Nicole lächelte.
    »Wenn er sich festwühlt, wirst du ihn herausbuddeln und schieben müssen, Schatz. ›Dem Kavalör ist nichts zu schwör!‹«
    Zamorra ächzte. »Ich ahnte es«, murmelte er.
    Nicole stieg aus, ging über die schmale Straße über ein Stück verwilderte Landschaft dorthin, wo die Böschung ein wenig steil abfiel und über einen schmalen weißen Sandstrand zum Wasser führte. Das Wasser der Bucht rauschte und gluckste leise, und ein léichter Wind landeinwärts kräuselte die Oberfläche.
    Zamorra tauchte neben Nicole auf und legte ihr die Hände auf die Schultern. Schweigend sahen sie einige Zeit in die Baie de Morlaix.
    »Hier unten geht’s ja noch«, sagte Zamorra nach einer Weile. »Aber weiter drüben«, er streckte den Arm aus. »Ist es inzwischen reichlich ungemütlich am Strand. Weißt du, wie man als Bretone schnell zu ein paar hunderttausend Tonnen Rohöl kommt?«
    Nicole zuckte mit den schmalen Schultern. Zamorra fühlte die Wärme ihres Körpers unter dem dünnen T-Shirt.
    »Hundert Quadratmeter Strand kaufen und auf die nächste Öltanker-Katastrophe warten«, sagte Zamorra.
    »War kein guter Witz«, murmelte Nicole und schickte sich an, die niedrige Böschung hinunter zu klettern. »Hoffentlich ist das Wasser nicht zu kalt.«
    »Und hoffentlich ist das Auge des Gesetzes weit«, murmelte Zamorra, der sich entsann, daß Nicole ihren Bikini irgendwo im Koffer liegen hatte, jetzt aber keine Anstalten machte, umzukehren und den Anstandsfetzen zu holen. »Nacktbaden ist hier nämlich verboten.«
    Sie winkte ab und kletterte weiter hinunter.
    »Oben bei Ploumanac’h«, sagte Zamorra gegen den Wind, »soll vor einiger Zeit ein Gespensterschiff zerschellt sein. In der Nähe des alten Schmugglerpfades.«
    »Bei den roten Felsen?« rief Nicole. »Die müssen wir uns auch noch ansehen, aber wer hat dir den Quatsch mit dem Gespensterschiff erzählt?«
    »Teri Rheken. Ihr Freund Ted Ewigk soll mit der Sache zu tun gehabt haben.«
    »Ach, der«, murmelte Nicole. »Aber das ist ein Grund mehr anzunehmen, daß wir hier vor Aktivitäten von Geistern und Dämonen sicher sind. Es müßte schon ein sehr eigenartiger und großer Zufall sein, wenn…«
    Sie verstummte und blieb stehen, nur ein paar Schritte weit auf dem weißen Sand.
    »Wenn - was?« fragte Zamorra von oben.
    »Sag mal, Chef«, sagte Nicole. »Seit wann werden Ratten eigentlich so groß wie Dachshunde?«
    »Hä?« machte Zamorra wenig geistreich. »Was für Ratten?«
    Sein Blick folgte Nicoles ausgestrecktem Arm. Was er sah, war eigentlich fast unmöglich.
    Da kauerte am hellen Tag tatsächlich eine Ratte im Gras der Böschung. Ein äußerst wohlgenährtes, häßliches Vieh, das wahrhaftig die Größe eines Dackels erreichte. Aus hungrigen Augen und mit gefletschten Zähnen starrte es Nicole an.
    Eine Ratte, frei und ungedeckt am hellen Tag… Das widersprach allem, was Zamorra von Ratten wußte oder zu wissen glaubte. Ratten lieben die Dunkelheit, und sie scheuen den Menschen, außer sie sind hungrig oder nervös.
    In einem anderen Punkt jedoch widersprach diese Ratte dem Verhaltensmuster nicht: Sie war nicht allein, sondern trat im Rudel auf.
    Die dackelgroßen Bestien mit den langen, scharfen Zähnen waren plötzlich überall. In der Böschung, unten am Strand - und oben auf der Straße!
    Nicole stieß einen erschrockenen Schrei aus und hastete wieder nach oben.
    Die Ratten setzten nach und verkleinerten den Kreis, mit dem sie die beiden Menschen umgaben…
    ***
    Jules verließ das kleine Haus der Piquets. Draußen standen nur noch ein Polizeiwagen mit Blaulicht, der große Citroën der Mordkommission und das schwarze Kombifahrzeug des Bestattungsunternehmens. Jules griff nach seinem Fahrrad, das am Zaun lehnte, und stieg auf.
    Die Menge der Schaulustigen zerstreute sich bereits. Die »Hauptstreitmacht« der Polizei war wieder fort, der weiße Cadillac
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