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0228 - Ratten-Tanz

0228 - Ratten-Tanz

Titel: 0228 - Ratten-Tanz
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nächste Griff galt dem Schalter für das Verdeck. Klackend und surrend begann es sich automatisch zu schließen, während der Wagen anfuhr.
    Der weiche Boden! durchschoß es Zamorra. Wenn er sich jetzt mit den Reifen eingräbt…
    Er grub sich nicht ein. Die Automatik beschleunigte zügig, aber weich und gleichmäßig. Der Cadillac kam frei und rollte auf die Straße. Riesenratten sprangen am Wagen hoch. Einer gelang es, unter dem Verdeck hindurch ins Innere zu kommen, während Zamorra noch die Seitenscheiben hochsurren ließ. Nicole hatte mehr Glück als Verstand, die Ratte im Sprung mit einem schnellen Fausthieb zurückschleudem zu können, ehe die scharfen Zähne zupackten und ihr die Hand zerfetzten. Die Ratte stürzte wieder nach draußen. Im nächsten Moment war der Wagen zu.
    Aber sie befanden sich auf dem Kofferraumdeckel und oben äüf dem Verdeck! Deutlich war das Scharren ihrer krallenbewehrten Pfoten zu hören. Wenn sie das Verdeck aufrissen und sich hindurchfraßen…
    Zamorra hatte den gleichen Gedanken.
    Ruckartig trat er auf die Bremse. Der Wagenbug tauchte ein. Die Stoßstange berührte fast den Asphalt; Nicole wurde über die Sitzlehne nach vom geschleudert und schrie auf. Im gleichen Moment trat Zamorra den Gashebel voll durch. Der Cadillac machte einen Satz nach vorn. In diesem Moment zahlte es sich aus, daß einst der schon von sich aus gewaltige Motor noch »frisiert« war; etwas, auf das Nicole beim Kauf nicht unbedingt Wert gelegt hatte und das sie als interessantes Zubehör empfand. Denn mit einem Cabrio will man nicht rasen, sondern nach Möglichkeit bei langsamer Fahrt die Landschaft genießen und gesehen werden.
    Schlagartig wurden weit über dreihundert PS aus gut sieben Litern Hubraum frei. Die Automatik schaltete ruckfrei durch. Der Wagen wurde zur Rakete. Eine schwarze Reifenspur blieb auf dem Asphalt zurück - und die Ratten, die sich auf diesem fahrenden Geschoß nicht mehr halten konnten. Die beim Bremsmanöver vom Dach vor den Wagen geschleudert wurden, blieben liegen. Die anderen brauchten einige Zeit, sich wieder zu erholen.
    Zamorra fing den davonschießenden Wagen gerade noch vor der nächsten Kurve ab und ließ ihn langsamer werden.
    »Das war höllisch knapp«, murmelte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wo zum Teufel kommen die Biester plötzlich her? Die hätten von uns nichts übriggelassen…«
    »Wem sagst du das?« murmelte Nicole. »Laß uns zurück nach Morlaix fahren. Da geben wir der Polizei Bescheid, daß sich hier eine Rattenplage entwickelt.«
    »Dann werden wir einen Umweg an der Küste entlang und durch Plougasnou fahren müssen«, sagte Zamorra. »An dieser Stelle fahre ich nicht mehr vorbei, mir reichts !«
    Und so kamen sie auch nicht mehr durch Plouézoch.
    ***
    In Plouézoch kassierte Jules Giscaux einen eiskalten Anpfiff von Kommissar Maidonnes, der seinen Sprung über den Zaun mitbekam. »Von Türen und Wegen haben Sie noch nie etwas gehört, wie? Aber in der Steinzeit gab es das ja auch noch nicht…«
    Jules Giscaux schüttelte sich heftig. »Kommissar, ich habe Ratten gesehen! Biester, so groß wie…«
    »Ich habe auch schon irgendwann in meinem Leben mal Ratten gesehen, bin deshalb aber nicht über Gartenzäune gesprungen…« Maidonnes kam von der Haustür heran. »Außerdem kann ich mich entsinnen, daß Madame Piquet Ratten sah, nicht aber Sie, mein Junge…«
    Jules konnte sich gerade noch bremsen und sein Vorhaben zurückstellen, dem Kommissar den Vogel zu zeigen.
    »Hier!« bellte er. »Hier habe ich sie gesehen, die Viecher, gerade, vor einer halben Minute! Bloß ist jetzt nichts mehr davon zu sehen, weil Sie sie verscheucht haben…«
    Maidonnes blieb ruckartig stehen.
    »Und Sie?« kam seine Frage. »Haben Sie sie nicht auch verscheucht?«
    Jules verstand die Frage falsch und sah sie wieder als einen Angriff auf sich. Dabei hatte Maidonnes damit gerade indirekt zu verstehen gegeben, daß er die Existenz der Ratten für möglich hielt!
    »Kommissar…«
    »Ich weiß doch, welchen Titel ich habe«, winkte der heftig ab und kam jetzt doch wieder näher. Seine Stimme war gedämpft. »Junge, schreien Sie nicht so laut und machen Sie nicht alle Leute rebellisch wegen der Ratten! Zeigen Sie mir lieber, wo die Viecher gehockt haben und wohin sie verschwunden sind!«
    Da endlich begriff Jules, daß man ihm glaubte! Aber mit dem »Wohin« konnte er nicht dienen.
    »Sie waren einfach weg! Augen auf, Ratten da. Augen zu, Ratten
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