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0228 - Ratten-Tanz

0228 - Ratten-Tanz

Titel: 0228 - Ratten-Tanz
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Claudine, die Jules immer so fröhlich vom Fenster aus zuwinkte, wenn er wieder aufs Fahrrad stieg, und die mit ihm auch schon mal in der Discothek in der Stadt war, gab es ebenfalls keine Spur.
    »Was ist passiert, Madame Piquet?« fragte Jules entsetzt. Aber Louise stammelte immer wieder etwas von Ratten, die Claudine mit sich genommen haben sollten.
    »Ja, und dann habe ich die Polizei gerufen«, schloß Jules seinen Bericht zum dritten Mal.
    Maidonnes sog an der Zigarre. »Schön«, brummte er. »Jules, können Sie mir die Geschichte auch noch ein viertes Mal erzählen?«
    Dem platzte der Kragen. »Sagen Sie, Kommissar, geht’s Ihnen noch gut?«
    »Mir?« Maidonnes nickte. »Schon. Aber Ihr Text, Jules, klingt wie auswendig gelernt und heruntergeleiert. Sie hatten nicht zufällig ein oder auch beide Augen auf Mademoiselle Piquet geworfen, und Monsieur Piquet wollte Ihnen dafür den Hosenboden strammziehen?«
    Jules Gilcaux starrte den Kommissar sprachlos an.
    »Ja, und dann haben Sie sich gewehrt und ihn erschlagen«, fuhr Maidonnes fort.
    »Sie sind ja irre!« fauchte Gilcaux bestürzt.
    Maidonnes grinste und klopfte ihm väterlich auf die Schulter. »Nun, man muß auch das Unwahrscheinlichste für möglich halten, vor allem in meinem Beruf, mein Junge. Ratten… Ratten enführen doch keine Menschen und schlagen andere tot! War sie hübsch, Junge?«
    »Wer?« stammelte Jules Gilcaux verwirrt. »Die Ratte?«
    »Das Mädchen! Mademoiselle Piquet! Claudine!« knurrte Maidonnes gutmütig. »Ach, verflixt… Hatten die Piquets wirklich keine Feinde? Keine nachbarlichen Streitigkeiten? Ein über den Zaun ragender Apfelbaumast oder so, Musiklärm? Vielleicht beim letzten Schützenfest ein Streit unter Betrunkenen oder so?«
    Jules schüttelte nur den Kopf. »Die Piquets sind überall beliebt«, sagte er.
    »Immer freundlich, hilfsbereit und nett…«
    »Ja«, brummte Maidonnes, und dann noch einmal: »Ja… danke, Jules. Im Moment brauche ich Sie nicht. Wenn Sie mir Ihre auswendig gelernte Geschichte zum vierten Mal rezitieren sollen, lasse ich Sie rufen.« Er wandte sich ab und verließ das Haus durch den Hinterausgang.
    Zwei Beamte kamen ihm entgegen.
    »Hier sind ein paar Leute durch den Garten gelaufen, querfeldein, Chef«, berichtete einer. »Ein paar Beete sind zertreten. Die Leute müssen dann über den kleinen Zaun in die Wiese gelaufen sein.«
    »Und da?« hakte Maidonnes nach.
    »Nichts zu sehen. Die Sache muß passiert sein, bevor der Morgentau fiel. Wenn Gras niedergetreten war, hat es sich wieder aufgerichtet.«
    »Schön. Es waren also Menschen. Ratten zertrampeln keine Beete, mithin entführen sie auch keine jungen Mädchen. Wie viele Personen waren es?«
    »Schwer zu sagen, Chef. Zwei oder drei. Oder fünf.«
    »Also dreieinhalb im Mittelwert«, brummte Maidonnes sarkastisch. »Fotografieren. Abdrücke der Fußstapfen anfertigen lassen. Und dann wollen wir mal sehen, was unsere liebe Madame Piquet im Krankenhaus noch zu sagen hat. Vielleicht wird sie wieder normal, wenn sie nicht mehr in der Tatort-Umgebung und in der Nähe des Toten ist. Liegt der noch hier?«
    »Chef, woher sollen wir das wissen? Wir haben uns doch draußen die Augen aus dem Kopf gepeilt!«
    Maidonnes winkte ab. »Versucht’s mal mit Gedankenübertragung, vielleicht weiß dann jeder von euch über alles Bescheid!«
    »Chef«, grinste sein Assistent, »warum versuchen Sie es nicht mal mit Telepathie? Dann brauchten Sie uns keine dummen Fragen mehr zu stellen, und Sie könnten die Wahrheit direkt aus dem Tätergehirn holen…«
    Maidonnes sah ihn verdutzt an, dann grinste er. »Sie sind reif für eine Beförderung«, brummte er und stiefelte zum Haus zurück.
    Alexander Piquet lag schon in der Zinkwanne.
    »Aufmachen«, kommandierte Maidonnes. »Ich will das Gesicht noch mal sehen.«
    Er wußte selbst nicht, was ihn dazu trieb. Aber dann beugte er sich über den Toten und sah in die weit aufgerissenen Augen, die noch niemand zugedrückt hatte.
    »Lampe«, verlangte er plötzlich, obgleich es hell war. Er glaubte in den Augen etwas entdeckt zu haben.
    Jemand holte eine Stablampe aus dem Einsatzwagen. Maidonnes knipste sie an und strahlte in die Augen des Toten.
    Dann nickte er nur, war seltsam blaß und gab die Lampe zurück. »Zumachen und ab zur Obduktion«, knurrte er. »Daß mir keiner von den Ärzten am Gesicht herummacht! Auch keine Leichenkosmetik!«
    »Chef, pardon… was ist denn mit den Augen?« fragte Philippe, seine rechte
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