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0228 - Ratten-Tanz

0228 - Ratten-Tanz

Titel: 0228 - Ratten-Tanz
Autoren: Werner Kurt Giesa
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auf. Unbeleuchtet holperte der Wagen über die Wiese, erreichte die Straße und kroch die Böschung hinauf. Dann jagte er mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht davon, irgendwohin.
    Es war ein grotesker Anblick. Menschen mit Rattenköpfen im Wagen, und auf dem Armaturenbrett tanzte eine fette Ratte hin und her und gestikulierte wild mit den Pfoten.
    »Was soll das? Was habt ihr mit mir vor?« fragte Claudine erschüttert.
    Der Rattenmann neben ihr wandte den Kopf und sah sie an. Dann griff er in die Brusttasche seines dunklen Hemdes, holte eine flache Schachtel hervor und hielt sie Claudine entgegen.
    »Zigarette?« fragte er mit völlig menschlicher Stimme aus dem Rattenmaul.
    Da wurde alles um Claudine herum schwarz.
    ***
    Der Wagen war eine Sensation, vor allem für das kleine bretonische Dorf, in dem es sogar noch Pferdefuhrwerke gab. Eine noch größere Sensation war das Mädchen am Lenkrad, mit wehendem, langem Blondhaar, sonnengebräunter Haut, weißen Shorts und weißem T-Shirt, das mit Sicherheit mindestens eine Nummer zu klein war. Eine golden funkelnde Sonnenbrille schützte die Augenpartie der schlanken Schönheit am Volant des riesigen Straßenkreuzers. Auf dem Beifahrersitz hatte es sich ein Mann mittleren Alters bequem gemacht, ebenfalls sonnengebräunt, groß und sportlich durchtrainiert, ebenfalls in weiß gekleidet. Das Gesicht war männlich-markant und ließ auf einen Filmschauspieler schließen - was er aber nicht war. Im Gegenteil…
    Der Wagen dagegen hätte ebenfalls in einen Film gepaßt. Fast schon ein Oldtimer, ein Cadillac-Cabrio aus den endfünfziger Jahren, mit wuchtigen Heckflossen und gewaltigem Haifischmaul-Kühlergrill. Der weiße Riese mit dem offenen Verdeck füllte die Dorfstraße mühelos aus.
    Langsam und lautlos rollte der gewaltige Straßenkreuzer auf die Absperrung zu. Drei Renaults mit Blaulicht und in den Polizeifarben standen vor einem Haus. Ein paar Polizisten unterhielten sich fast gelangweilt mit Männern, Frauen und Kindern aus dem Dorf, während die Alarmlichter in der Morgensonne zuckten. Direkt vor der Zaunpforte stand ein Krankenwagen. Ein grauer Citroën parkte ein paar Meter weiter.
    »Was bei allen verlausten Geiern der nördlichen Sahara ist denn hier passiert?« fragte das blonde Mädchen am Lenkrad des Cadillacs und tupfte mit dem Fuß leicht das Bremspedal an. Der mächtige Wagen tauchte mit dem Bug kurz ein und kam vor dem Polizisten zum Stehen, der gemütlich heranschlenderte.
    »Guten Morgen, Mademoiselle, Monsieur«, grüßte er höflich. »Verzeihen Sie bitte, daß wir hier die Straße blockieren. Aber wir sind gleich fertig.«
    »Was ist denn passiert?« fragte das blonde Mädchen und rückte die Sonnenbrille hoch. Ein faszinierendes Augenpaar sah den Polizisten fragend an. Augen, wie er sie noch nie im Leben gesehen hatte: braun, mit winzigen goldenen Tüpfelchen… Irritiert wandte er den Blick und blieb auf dem Busen des Mädchens hängen.
    »Das weiß keiner so genau«, sagte er. »Jemand ist ermordet worden. Die Tochter wurde entführt. Und was mit der Frau los ist… hm…«
    »Was ist denn mit der Frau los?« fragte der Mann auf dem Beifahrersitz, während die Fahrerin peilte, ob sie den riesigen Wagen nicht doch zwischen Polizeifahrzeug und Gartenzaun durchmanövrieren könnte. Aber es erschien ihr dann doch zu riskant; die schmalen bretonischen Dorfstraßen waren nicht für breite amerikanische Autos gedacht.
    »Ich weiß nicht… man munkelt, sie soll den Verstand verloren haben.«
    Der Mann horchte auf. In diesem Augenblick trugen zwei Weißbekittelte jemanden mit einer Trage zum Sanitätswagen.
    »Na, dann sind wir ja gleich fertig, und Sie können weiterfahren«, sagte der Polizist. »Kaum zu glauben, so etwas. Mord und Entführung, und das in diesem kleinen Dorf…«
    »Und niemand weiß, warum«, mischte sich jemand von den Dorfbewohnern ein, der der Unterhaltung gefolgt war und nebenbei den Wagen und die Fahrerin ein wenig bestaunen wollte. »Die Piquets sind eine ganz normale Familie! Kein Lotteriegewinn, nichts… Keiner von uns kann sich erklären, was dieser Überfall bedeutet. Aber die Welt wird ja immer schlechter… Mit der Jugend ist nichts mehr los, und alles wird teurer, und die vielen Arbeitslosen… Kein Wunder, daß das Verbrechertum immer mehr überhand nimmt! Und unsere Polizei steht da und schaut zu…«
    Der Polizist verwahrte sich energisch gegen diese Behauptung, und innerhalb weniger Augenblicke war eine angeregte
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