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0219 - Das Grab im Korallenriff

0219 - Das Grab im Korallenriff

Titel: 0219 - Das Grab im Korallenriff
Autoren: Rolf Michael
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daß hier einiges nicht stimmte.
    Der Wikinger-Typ war nicht der Mann, der lange um eine Sache herumredete. Und von den üblichen Konversationen hielt er gar nichts.
    »Was wird hier gespielt?« fragte er, und einen Deut schärfer: »Oder soll ich demnächst nur noch Außendienst machen?« Auch wenn ihn sein Arbeitsvertrag als Bezirks Vertreter einer Versicherung auswies, so hatte er doch neben den üblichen, unumgänglichen Hausbesuchen auch gewisse Schreibtischarbeiten zu erledigen. Am Montag war er daher meist im Büro anzutreffen.
    Aber heute? Der Schreibtisch war belegt - belegt von einem anderen. Von einem, der genauso aussah, wie es der zuständige Abteilungsleiter gerne hatte.
    Das konnte nur eines bedeuten.
    Seine Entlassung.
    »Los, raus mit der Sprache!« preßte der junge Mann in der modischen Kleidung, die das Flair einer exzellenten Boutique aufwies, hervor.
    »Wir sind nicht befugt… Das wissen wir nicht… Anordnung von oben… Fragen Sie doch den Chef… Der will Sie sowieso sprechen… Damit haben wir nichts zu tun, Herr Ullich, glauben Sie uns!« hörte er es durcheinandermurmeln.
    Die letzten Worte erstickten im Zuknallen der Tür, die Michael Ullich temperamentvoll ins Schloß geschmettert hatte.
    Auf dem Flur hätte er fast eines der Mädchen aus dem Schreibbüro über den Haufen gerannt.
    »Morgen, Micha!« hörte er nur, dann lief das Mädchen wie ein kleines Kind, das den schwarzen Mann gesehen hat. Hatten da nicht Tränen in ihren Augen geblinkt, hatte die Kleine nicht gerade noch ein Schluchzen zu verbergen versucht?
    Alle Welt schien hier zu wissen was los war, nur er nicht. Und ihn, Michael Ullich, betraf es offensichtlich. Dabei war er sich keiner Schuld bewußt. Im Gegenteil. Seine Abschlüsse wiesen eine ansteigende Tendenz. Na, und der Abschluß dieser Super-Lebensversicherung neulich…
    Kein langes Nachdenken! Hier galt es, den Stier bei den Hörnern zu packen. Er wartete nicht erst auf das Herein nach seinem Anklopfen. Er riß die Tür auf und stand im Vorzimmer des Sektionschefs. Eine ältliche, spindeldürre Dame, deren Gesicht an einen frisch renovierten Altbau erinnerte und der eine goldumrandete Brille und das im Nacken geknotete Haar das Flair einer britischen Gouvernante verliehen, sah erstaunt und empört auf.
    »Sie wünschen?« fragte sie kurz.
    »Ich will zum großen Häuptling!« sagte Ullich auf seine legere Art. »Wenn Sie mich bitte melden wollen…«
    »Herr Bräuer ist derzeit nicht zu sprechen, junger Mann.«, kam es im korrektesten Hochdeutsch aus dem Mund des Vorzimmerwestwalls. »Nicht für Sie zu sprechen, junger Mann… Äh, wie war gleich ihr Name?«
    »Siegfried!« tönte Michael Ullich. »Siegfried, der Drachentöter! Weiche, Fafner, sonst trifft dich mein Stahl!«
    Mit den letzten Worten schob er die Vorzimmerdame, die ihm mit ausgebreiteten Armen den Zutritt zum Allerheiligsten verwehren wollte, einfach zu Seite.
    »Immer ruhig, alter Drachen!« bemerkte Ullich noch, als er schon halb im geschmackvoll eingerichteten Büro des Chefs stand.
    Der wohlbeleibte Mann mit dem schütteren Haarkranz um eine spiegelblanke Vollglatze, dem pausbackigen Gesicht, das an einen Trompetenengel im Inneren einer Barockkirche erinnerte, und den hinter einer dicken Hornbrille hervoräugenden Schweinsäuglein fuhr ob dieser unerwarteten Störung halb auf.
    »Was erlauben Sie sich…?« wollte er poltern. Dann erst kam eine Art Erkennen. Amadeus Bräuer, Herr über Leben und Tod in dieser Großsektiori des Versicherungskonzerns, kannte längst nicht alle seiner Untergebenen. Er bewegte sich kaum von seinem Schreibtisch fort und ließ sich lieber von seinen Abteilungsleitern Bericht erstatten. Diesen jungen Mann in diesen in seinen Augen wüd aussehenden Bekleidungsstücken hatte er zwar einige Mal gesehen, ihn aber stets für einen Kunden oder einen Botenj ungen gehalten.
    »Gehen Sie nicht ein bißchen weit, Herr… ?« fragte er, sich langsam wieder setzend und sich mit seinen Augen einen Punkt im Raum aussuchend. Der Blick seines Gegenübers, aus dem die Frostigkeit eines Eisberges sprach, war ihm nicht geheuer.
    »Mein Name ist Ullich. Michael Ullich!« hörte Bräuer die Stimme wie zerbrechendes Glas klirren. »Und ich wünsche zu wissen, warum so urplötzlich eine andere Figur an meinem Schreibtisch ihr Dasein fristet?«
    Während er diese Worte sprach, angelte er sich ohne Aufforderung einen der bequemen Sessel aus schwarzem Leder und setzte sich dem Chef gegenüber.
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