Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
versteckt, bis sie
aufhörten zu schreien. - Und jetzt bin ich da«, beendete sie ihre
Geschichte unglücklich.
    Rainbird
holte tief Atem. »Lizzie, wenn sie dich erwischt hätten, hätten sie dich
aufgehängt oder mindestens in die Kolonien verschleppt.«
    »Ich
habe eine Todsünde begangen«, flüsterte Lizzie.
    »Allerdings«,
triumphierte Joseph. »Der Papst wird dich zu ewigen Höllenqualen verdammen.«
Dann schnappte er nach Luft, weil ihm Jenny ihren scharfen Ellenbogen in den
Magen gerammt hatte.
    »Ich
glaube, Gott wird dir vergeben«, sagte Rainbird, »aber ob er dieser Frau und
ihren Töchtern vergeben wird, ist eine andere Sache. Trockne deine Tränen,
Lizzie. Du darfst so etwas nie wieder tun.«
    Die
hochgewachsene Alice, deren Gestalt einer griechischen Göttin glich, kam lässig
um den Tisch herum - alles, was Alice tat, geschah mit lässiger
Leichtigkeit. Sie schlang ihre Arme um Lizzie und sagte: »Weine nicht. Sei ein
braves Mädchen.«
    Rainbird
seufzte. Wie tief waren sie gesunken, wenn sogar Mädchen, wie die kleine Lizzie
zu Diebinnen wurden!
    Müde,
schwere Schritte auf der Treppe kündeten die Haushälterin, Mrs. Middleton, an,
eine ständig besorgte Dame von unbestimmbarem Alter mit einem verschreckten
Kaninchengesicht. Sie öffnete ihre riesige Handtasche und legte triumphierend
einen großen, wie von Motten zerfressenen Kohlkopf auf den Tisch.
    »Wie
viel?« fragte Rainbird.
    »Nichts«,
strahlte Mrs. Middleton.
    »Sie
haben wohl auch gestohlen?« fragte Dave.
    »Geh in
deinen Kamin zurück und pass auf, was du sagst«, wies ihn Rainbird streng
zurecht. »Nun, Mrs. Middleton, was war los?«
    »Auf
dem Covent Garden-Markt war ein Träger«, lächelte Mrs. Middleton und nahm
ihren Kapotthut ab. »Er hat ihn verloren, und ich habe ihn aufgehoben und bin
ihm nachgelaufen. >Hier, mein guter Mann<, habe ich gesagt. >Wen,
glauben Sie, nennen Sie Ihren guten Mann?< antwortet er. >Sie können den
Kohlkopf behalten und ... <« Mrs. Middleton lief rot an. »Ich habe nicht
verstanden, was er sonst noch gesagt hat, aber er hat so gewalttätig ausgesehen,
dass ich gesagt habe: >Danke<, und habe den Kohlkopf in meine Tasche gesteckt.
Was hat Dave gemeint, als er von auch stehlen sprach?«
    Joseph
öffnete den Mund und schloss ihn wieder, weil Rainbird ihn mit Blicken
durchbohrte.
    »Beeil
dich und werd endlich mit den Kaminen fertig«, fuhr Rainbird Dave an. »Angus
MacGregor ist aufs Land zum Holzsammeln gegangen, vielleicht haben wir es heute
abend ein bisschen warm.«
    »Alles
ist voller Ruß!« jammerte Mrs. Middleton. »Alice, warum umarmst du dieses
nichtsnutzige Mädchen? Lizzie, putz hier den Boden, und wenn du fertig bist,
mach dich an deine Arbeit in der Küche.«
    »Da
kommt MacGregor«, kicherte Joseph, »hört sich an wie der ganze Haufen von
Prince Charles' Gefolge, wenn er vom Derby zurückkommt.«
    Sie rannten
alle in die Küche hinaus, wo sich der Koch vom schottischen Hochland gerade
einen großen Sack von der Schulter lud.
    »Es
schneit ganz schön«, brummte er.
    »Blut!«
schrie die dunkelhaarige Jenny. »Aus dem Sack tropft Blut!«
    »Was
hast du da?« wollte Rainbird wissen.
    »Ein
Reh«, sagte der Koch fröhlich. »Ein nettes kleines Tierchen. Heute abend gibt
es Wildbret.«
    »Das
Wild des Königs«, flüsterte Rainbird. »Du dummer Narr. Sie werden uns alle
hängen.«
    »Man
brauchte es nur noch mitzunehmen«, sagte der Koch ohne Reue. »Ich war ja völlig
fertig, weil ich einen großen Sack Feuerholz hatte, den ich abstellte, um auf
dem langen Heimweg zu rasten, und da hat ihn irgendein Schuft gestohlen und ist
damit im Nebel davongerannt.« Rainbird hatte eine große Talgkerze
hereingebracht, als er Angus MacGregor kommen hörte. In dem fahlen Licht des
goldenen Kerzenscheins waren die Gesichter der Diener weiß wie Papier. »Schaut
doch nicht so verschreckt«, fuhr der Koch ärgerlich fort. »Ich bin durch den
Park gegangen, und da lag dieses kleine Reh mit gebrochenem Bein und halbtot
vor Kälte. Ich habe mein Messer gezogen und ihm die Kehle durchschnitten. Ich
hatte noch einen Sack dabei, den habe ich mir über die Schulter gehievt und bin
hierher gerannt.«
    Er
neigte den Kopf zur Seite, als ob er etwas gehört hätte, und sie erstarrten
alle vor Schreck, als sie oben in der Clarges Street schwere Fußtritte hörten.
    »Und
auf dem ganzen Weg hierher sind Blutstropfen«, sagte Rainbird, von panischer
Angst ergriffen. »Du hast uns die gesamte Miliz auf den Hals gehetzt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher