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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
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Dave
war inoffiziell der Spüljunge.
    »Geh
rein. Du gehst mir auf die Nerven, Joseph«, sagte Rainbird.
    Joseph
zog verärgert ab, und Rainbird blickte wieder in die wabernden Nebelschwaden
hinaus.
    Da
tauchte plötzlich Lizzie aus der Dunkelheit auf, man hörte ihre Holzpantinen
eilig auf dem Pflaster klappern. Sie trug etwas in einen Schal gewickelt.
    Zu
Rainbirds Überraschung erwiderte sie seinen Gruß nicht, sondern huschte die
Außentreppe hinunter wie ein Tier, das in seinen Bau flieht.
    Er
rannte flink hinter ihr her.
    Lizzie
ging geradewegs in den Essraum der Diener. Sie hielt den Schal und was sie
darin verbarg wie ein Baby an die Brust gepresst.
    »Was
hast du da?« wollte Rainbird wissen.
    Der
Nebel zog in dünnen Schleiern durch den Raum, der von einer einzigen
übelriechenden Talgkerze auf dem Tisch schwach erleuchtet war. Lizzie öffnete
schweigend ihren Schal, holte einen großen knusprigen Laib Brot hervor und
legte ihn auf den Tisch. Dann setzte sie sich mit gesenktem Kopf hin.
    Rainbird
trat an den Tisch und nahm den Laib Brot in die Hände. »Der ist frisch,
Lizzie«, sagte er. »Du hast nur einen Penny gehabt für ein altbackenes Brot.
Wie bist du zu dem gekommen?«
    Lizzies
Augen, die in dem schmalen Gesichtchen riesig wirkten, blickten den Butler
voller Kummer an. Sie vergoss zwei große Tränen, die auf ihren vom Smog
verschmierten Wangen zwei saubere Bahnen hinterließen.
    Rainbird
kam ein schrecklicher Gedanke. »Du hast doch nicht etwa ... Lizzie. Ich meine,
du bist nicht mit einem Mann gegangen ... ?«
    »Schlimmer
als das«, erschauerte Lizzie.
    Rainbird
musste sich setzen. Alice und Jenny kamen in die Küche und wollten wissen, was
los war, und Dave erschreckte sie zu Tode, weil er über und über mit Ruß
bedeckt aus dem Kamin geschlüpft kam.
    »Ich
glaub', ich hab' drei Taschen voll, Mr. Rainbird«, sagte er fröhlich. »Heut'
nachmittag verkauf' ich den Ruß. Was ist mit dir los, Lizzie?«
    »Dasselbe
wie mit uns allen«, sagte Joseph gedehnt. »Hunger.«
    »Nun
mach schon, Lizzie«, drängte Rainbird. »Erzähl!«
    Das
Küchenmädchen wischte sich die Tränen mit den Fingern weg. »Ich bin zu
Partridge gegangen«, sagte sie.
    Rainbird
schnalzte ärgerlich mit der Zunge. »Wieso denn, dahin? Er ist der teuerste
Bäcker in Mayfair.«
    »Bei
Brown auf dem Markt hat es kein altes Brot gegeben. Ich habe gedacht, ein
großer Bäcker hat vielleicht welches, aber die Leute trauen sich nicht zu
fragen. Deshalb bin ich hineingegangen.«
    »Und?«
fragte Jenny, das Stubenmädchen.
    »Und da
war eine feine Dame mit ihren zwei Töchtern.«
    »Quatsch«,
warf Dave ein. »Feine Damen kaufen ihr Brot doch nicht selber ein.«
    »Es war
für sie eine Art Spaß«, sagte Lizzie. »>Schaut, meine Lieben<, hat die
elegante Dame gesagt, >ihr dürft das Einkaufen niemals ganz den Dienern
überlassen. Gelegentlich muss man selbst gehen, um zu überprüfen, ob die Preise
mit denen im Wirtschaftsbuch der Haushälterin übereinstimmen.< Eine von den
Töchtern starrt mich an und sagt: >Aber Mama, dann kommt man in die Lage,
mit solch gewöhnlichen Menschen wie dem schmutzigen kleinen Dienstmädchen da
zusammenzutreffen.< >Es gehört sich nicht für eine Dame, solch eine
Person auch nur wahrzunehmen<, sagt die Mutter. Sie hatten alle Körbe wie
italienische Strohhüte, flach und offen und mit Silberblumen dekoriert.
Partridge verlangte zwei Shilling und drei Pence für einen großen Laib, und sie
haben sechs gekauft«, sagte Lizzie, und vor lauter Ehrfurcht trockneten ihre
Tränen.
    »Sie
sind an mir vorübergerauscht. >Geh mir aus dem Weg, kleines
Bauernmädchen<, sagt die Mutter, und in dem Moment ist ihr dieser Laib aus
dem unpraktischen Korb gefallen, und ich habe ihn schnell wie der Blitz, noch
bevor er auf den Boden fiel, aufgefangen. Sie sind nicht stehengeblieben. Da
habe ich sie eingeholt, als sie gerade in ihre Kutsche stiegen, und gesagt,
>Wenn's beliebt, Madam, das Brot ist Ihnen runtergefallen.<«
    >Oh,
Mama<, hat eines von den Mädchen gesagt, >fass es ja nicht an. Sie hat
wahrscheinlich Läuse.<
    >Für
die Diener ist es noch gut genug<, sagt die Mutter und, lehnt sich aus dem
Kutschenfenster, um es mir wegzunehmen.
    Ich
habe mich plötzlich schreien hören: >Dann behalt' ich es<, und ich habe
es in meinen Schal gewickelt und bin so schnell weggelaufen, wie ich konnte.
Sie schrien: >Haltet den Dieb!<, und aus dem Nebel griffen Hände nach
mir, aber ich sprang in einen Hauseingang und habe mich da
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