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0175 - Die Kugeln tanzen Rock'n Roll

0175 - Die Kugeln tanzen Rock'n Roll

Titel: 0175 - Die Kugeln tanzen Rock'n Roll
Autoren: Die Kugeln tanzen Rock'n Roll
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nicht.«
    Crosswing zuckte die Achseln und rannte wieder weg. Ich warf einen Blick durch den geschlossenen Vorhang. Der Zuschauerraum war dicht besetzt. Das Orchester stimmte seine Instrumente. Bühnenarbeiter hasteten herum. Aus der Nähe sahen die Dekorationen recht schäbig aus. Sie stellten eine Gartenlandschaft dar, mit nachgemachten Sträuchern, angeschmutzten Blüten und einem hellblauen Himmel, der einige gefährliche Risse auf wies.
    Ein Klingelzeichen ertönte, aus den Kulissen wurde gewinkt, und so verzogen wir uns nach hinten. Dort lagen auf verschiedenen Tischen Requisiten, die die Mitwirkenden im Vorbeigehen aufpicken mussten. Da waren Fächer, Blumensträuße, die genauso falsch waren wie die Dekorationen, ein paar Dolche und eine langläufige Duellpistole, die aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen schien.
    Plötzlich waren wir von einem ganzen Schwarm von Ballettratten umringt, die bestimmt reizend gewesen wären, wenn sie etwas weniger Puder und Schminke in den Gesichtern gehabt hätten, aber das gehörte nun einmal dazu.
    Sie gruppierten sich malerisch auf der Bühne.
    Das Stimmen der Instrumente hatte auf gehört. Für eine halbe Minute war es totenstill. Dann blitzten Scheinwerfer auf, die Musik intonierte den Schlager Sweet Seventeen und Sylvia Lona, im Kostüm einer Gärtnerin und mit einem strahlenden Lächeln um den stark geschminkten Mund, rauschte im Bewusstsein ihres unwiderstehlichen Charmes auf die Bühne.
    Das Spiel war wirklich nett, sogar von hier aus, wo man die geflickten Kulissen und die übrigen Unzulänglichkeiten sehen musste. Es war Sylvia Lona, die alles herausriss. Die Frau sah nicht nur gut aus, sie konnte auch eine ganze Menge, viel mehr, als ich gedacht hatte.
    Die Handlung war eine läppische Liebesgeschichte zwischen der Gärtnerin und einem ungarischen Grafen. Der Graf war ein sehr temperamentvoller Herr und rasend eifersüchtig, wozu er schließlich auch allen Grund hatte. Seine innigst geliebte Gärtnerin poussierte nämlich sehr intensiv mit seinem Reitknecht.
    »Wer von beiden die Kleine wohl zum Schluss bekommt?«, flüsterte Phil mir ins Ohr.
    »Meinst du auf der Bühne oder hinterher?«, grinste ich.
    Gerade in diesem Augenblick hatte der Graf die Ungetreue mit ihrem Galan erwischt.
    »Haaah! Das sollst du mir büßen!«, schrie er wutentbrannt.
    Die Musik tobte noch schlimmer, als der Edelmann die uralte Duellpistole aus dem Wams zog, auf seine Gärtnerin anlegte und den Zeigefinger krumm machte.
    Es gab einen Knall. Die Schauspielerin griff sich mit der Hand ans Herz, verdrehte gekonnt die Augen und ließ sich mitten in ein Beet nachgemachter Rosen fallen. Ich musste anerkennen, dass sie das recht naturgetreu machte. Der Graf starrte mit entsetztem Blick. Die Musik schwieg plötzlich. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können.
    Zwei gellende Schreie ertönten gleichzeitig. Der Graf auf der Bühne schrie, warf die Pistole von sich, als sei sie glühend, schlug die Hände vors Gesicht und rannte zwischen die Kulissen. Der zweite Schrei kam vom Inspizienten.
    »Vorhang! -Vorhang!« Seine Stimme schnappte über.
    Erst in diesem Augenblick erfasste ich, dass etwas schiefgegangen sein müsse. Phil und ich waren als Erste bei Sylvia Lona, die immer noch auf dem Rücken lag. Sie hielt die linke Hand auf die Brust gepresst. Zwischen ihren Fingern sickerte eine rote Flüssigkeit, die das bunte Kleid besudelte. Blut.
    Ihre Augen waren geöffnet und starrten mich mit einem wilden Ausdruck an.
    »Einen Arzt!«, schrie nun auch ich, und da kam auch schon der Theaterarzt, im weißen Kittel, die Tasche mit dem Roten Kreuz in der Hand und warf sich neben der Verletzten auf die Knie.
    »Niemand verlässt das Haus«, befahl ich über die Schulter hinweg und sah, wie Phil sich bereits in Trab setzte.
    Der Doktor riss das Kleid auf, schüttelte verzweifelt den Kopf und presste Verbandmull auf die Wunde. Dann nahm er eine Spritze, suchte die Vene in der Armbeuge und injizierte sorgfältig.
    Er fasste nach dem Puls, zog die Brauen zusammen und brach den Hals einer zweiten Ampulle ab, aber er kam nicht mehr dazu, das Medikament zu verabreichen.
    Sylvia Lonas Nase wurde weiß und spitz. Über die Iris zog sich ein Schleier. Noch ein schwacher Atemzug und dann war Sylvia Lona tot.
    ***
    In den folgenden Minuten hatte ich das Gefühl, in einem Irrenhaus zu sein. Es war einfach ein Chaos. Die Ballettmädels und weiblichen Darsteller wurden hysterisch.
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