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0173 - Zombie-Fieber

0173 - Zombie-Fieber

Titel: 0173 - Zombie-Fieber
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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Wasser rauschte hinter dem Plastikvorhang nieder, aber Norton konnte sich nicht überwinden, unter den Strahl zu treten. Ohne ersichtlichen Grund erfüllte ihn das eiskalte Wasser mit einem unüberwindlichen Widerwillen. Er trat einen Schritt zurück, schüttelte den Kopf und angelte erneut nach seinem Morgenmantel.
    Mochte der Teufel wissen, was mit ihm los war! Er würde jetzt ein paar Tabletten nehmen und sich wieder ins Bett legen, um bis zum nächten Morgen durchzuschlafen.
    Als er das Bad verließ, fiel sein Blick auf den Spiegelschrank.
    Norton blieb entsetzt stehen.
    Das Gesicht, das ihm da aus dem Spiegel entgegenblickte, war nicht seines. Es war aufgequollen und verfärbt, als hätte jemand stundenlang mit Fäusten darauf eingeschlagen. Er trat dicht an den Spiegel heran, drehte den Kopf und hob vorsichtig die Hand, um über seine aufgeplatzten Lippen zu tasten.
    Er fühlte nichts. Er konnte deutlich sehen, daß seine Oberlippe gespalten und blutverkrustet war, und eigentlich hätte die Berührung höllisch schmerzen müssen. Aber er spürte sie nicht einmal. Mehr verwundert als erschreckt ließ er seine Finger weitergleiten, tastete über den geschwollenen Kiefer, die blau angelaufenen Wangenknochen, das halb geschlossene Auge. Er spürte die Haut unter den Fingern, aber sein Gesicht schien vollkommen taub zu sein. Langsam, mit zitternden Händen, trat er einen Schritt zurück und öffnete den Morgenmantel. Sein Körper sah kaum weniger schlimm aus als sein Gesicht. Überall waren blaue und rote Flecke, Platzwunden und Prellungen, und als er den Morgenmantel ganz abstreifte, sah er, daß sein linker Arm seltsam verrenkt war, als wäre er gebrochen und nicht fachmännisch gerichtet worden.
    Er mußte in eine Schlägerei geraten sein.
    Ja. Das war die Lösung. Er mußte gestern Abend auf dem Heimweg überfallen worden sein, und wahrscheinlich konnte er sich deshalb an nichts mehr erinnern. Er hatte von Fällen gehört, in denen sich ein Mensch nach einem Schock oder einem heftigen Schlag auf den Kopf an nichts mehr erinnern konnte.
    Mit neu aufkeimender Angst betrachtete er seinen zerschundenen Körper. Er mußte zu einem Arzt, sofort!
    »Nein!«
    Die Stimme hämmerte mit solcher Wucht in seine Gedanken, daß er stehenblieb, als wäre er vor eine Wand gelaufen.
    »Du wirst keinen Arzt rufen!«
    »Aber…«
    »Du wirst nichts tun, was ich dir nicht erlaube oder befehle.«
    »Aber…« Norton schluckte. »Wer - wer bist du?«
    »Erinnerst du dich nicht?« fragte die Stimme. Sie klang amüsiert. »Erinnerst du dich wirklich nicht an gestern Abend?«
    Norton schüttelte verwirrt den Kopf. Was war nur mit ihm los? Hatte er jetzt schon - Halluzinationen? Wahrscheinlich hatte er gestern Abend doch mehr mitbekommen als ein paar oberflächliche Beulen und Kratzer.
    »Du erinnerst dich nicht?« wiederholte die Stimme. »Warte, ich helfe dir.«
    Und plötzlich waren sie da, die Erinnerungen. Mit fast körperlicher Wucht fielen sie über ihn her, tauchten wie gräßliche Alptraumbilder vor seinem inneren Auge auf und ließen ihn aufstöhnen. Die Straße… die Rocker… Schläge… Angst, das Wissen, zu sterben. Und dann die Stimme…
    »Siehst du - jetzt erinnerst du dich«, flüsterte die Stimme in seinem Kopf. »Und du erinnerst dich auch an das Abkommen, das wir getroffen haben.«
    Norton nickte zögernd. »Ja… ich…«
    »Du hast es freiwillig getan, vergiß das nicht!« Die Wucht des Gedankens war so groß, daß er sich zusammenkrümmte und gequält aufstöhnte. Auf seiner Stirn erschien ein Netz feiner, glitzernder Schweißperlen. Wimmernd saß er auf den kalten Fliesen und wartete darauf, daß die Stimme weitersprach.
    Aber sie schwieg.
    Nach ein paar Augenblicken stand Norton auf und taumelte in den Wohnraum. Seine Gedanken überschlugen sich. Er erinnerte sich jetzt, erinnerte sich an jede grauenhafte Einzelheit des vergangenen Abends.
    Gott - was hatte er getan? Worauf hatte er sich da eingelassen? Norton war Realist, ein Mensch, der Wert auf die Feststellung legte, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. Noch vor wenigen Stunden hätte er jeden ausgelacht, der ihm erzählte, daß es außer der Welt, die die Menschen sehen und begreifen können, noch andere Dinge, andere Wesen gibt. Und jetzt - jetzt war er selbst mit einem solchen Wesen konfrontiert worden, schlimmer noch, er hatte sich auf einen Pakt mit ihm eingelassen, ein Pakt, von dem er nicht wußte, welchen Preis er dafür zu zahlen hatte.
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