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016 - Herrin der Woelfe

016 - Herrin der Woelfe

Titel: 016 - Herrin der Woelfe
Autoren: Hugh Walker
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Silber«, wiederholte er lächelnd. »Ist Ihnen nicht klar, wie absurd das alles klingt?«
    Sie stand auf und packte ihn am Arm. »Kommen Sie!«
    Thania führte ihn vor einen der großen Spiegel, die im Behandlungszimmer hingen, und deutete hinein.
    »Sehen Sie mich an!«
    Er starrte in den Spiegel.
    »Ein paar Sekunden noch«, murmelte sie.
    Selbst fasziniert sah sie zu, wie ihr Spiegelbild unendlich langsam durchscheinend wurde und schließlich ganz verschwand, wie ein Traumbild, das sich auflöst. Es war ein seltsames Gefühl, sich nicht mehr zu sehen, aber gleichzeitig machte sich ein vager Schmerz in den Eingeweiden bemerkbar.
    Der Hunger!
    »Es beginnt jetzt«, sagte sie leise.
    Sie sah, dass er bleich geworden war. Er stierte in den Spiegel wie ein Betrunkener, aber die Nüchternheit kam rasch mit der Furcht.
    Mit gepresster Stimme stellte er fest: »Ich bin ganz wach.«
    Dann sah er das Mädchen an. »Oder bin ich es nicht?«
    »Doch, Sie sind es.«
    »Ihre Augen!« stieß er hervor. »Sie glühen!«
    »Das ist der Hunger.«
    »Keine Hypnose – kein Trick?«
    »Kein Trick, Dr. Ferring.«
    Sie erkannte, wie kalt ihre Stimme jetzt klang. Die Jagd begann. Es gab kein Erbarmen mehr und keine menschlichen Gefühle. Es gab keine Thania Lemar mehr – nur einen menschlichen Körper mit der Seele eines Wolfs.
    Er wich zurück.
    »Es sieht so aus – als hätte ich Sie unterschätzt!« stieß er hervor. »Aber nun will ich es genau wissen.«
    Er streckte eine Hand nach ihr aus und berührte sie. Ihre Lippen schoben sich zurück, sie fletschte die Zähne.
    »Können Sie noch verstehen, was ich sage?«
    »Ja, Doktor«, erwiderte sie mit völlig veränderter Stimme, heiser, fast fauchend. »Aber auch das wird bald vorbei sein.«
    »Versuchen Sie es zu unterdrücken!«
    »Es ist nutzlos, Doktor.«
    »Kämpfen Sie dagegen an!« beschwor er sie eindringlich.
    »Sie müssen es versuchen! Sie müssen!«
    Einen Augenblick schien die Glut in ihren Augen zu erlöschen, aber dann sah er, dass er verlor. Die Furcht verlieh ihm Flügel.
    Er packte das Mädchen am Arm und drehte sie rasch herum.
    Ein Schlag in den Nacken, wie er ihn des öfteren bei handgreiflichen Patienten anwenden musste, lähmte sie. Er fing sie auf und setzte sie auf seinen Arbeitsstuhl. Ohne sie aus den Augen zu lassen, öffnete er die Schreibtischschublade und nahm ein Paar Handschellen heraus.
    Damit fesselte er die Arme des Mädchens an die Lehne. Dann nahm er eine Spritze aus dem Schrank und füllte sie mit einem Beruhigungsmittel.
    Er nahm den Arm des Mädchens und setzte die Nadel an.
    Verblüfft sah er, wie sie nach innen glitt, aber nicht stach. Es war, als weiche das Fleisch zurück. Er stieß blitzschnell zu, aber noch während er die Flüssigkeit hineinpumpte, wusste er, dass es ihm nicht gelungen war, die Haut zu durchbohren.
    Als er die Nadel herauszog, war der Arm makellos und ohne Einstich. Das Medikament floss über den Arm hinab und tropfte auf den Boden.
    Ein drohendes Knurren ließ ihn aufblicken.
    Sie war erwacht. Ihre Augen schienen vom Feuer der Hölle erfüllt. Ihre Züge waren verzerrt.
    »Denken Sie!« rief er scharf und schrill. »Geben Sie nicht auf! Antworten Sie mir! Antworten Sie mir! Woran erinnert Sie das Wort Mensch?«
    Ihre Züge entspannten sich nach einem Augenblick merklich.
    »Antworten Sie! Kämpfen Sie dagegen an! Da ist ein Abgrund, nicht wahr? Ein Abgrund, in den Ihr Bewusstsein fällt! Klammern Sie sich irgendwo fest! Kämpfen Sie! Woran erinnert Sie das Wort Mensch?«
    Schweigen. Dann, mit einem wölfischen Grollen in der Stimme und einem Blecken der Zähne: »Feind!«
    »Und Liebe? Antworten Sie!«
    »Feind.«
    »Und Blut?«
    »Hunger!«
    »Töten!?«
    »Leben!«
    »Leben?«
    »Hunger!«
    »Wolf?«
    »Hunger!«
    »Mord?«
    »Hunger! Hunger!«
    Er erkannte mit plötzlicher Panik, dass all sein verzweifeltes Bemühen sie nicht im Zaum zu halten vermochte. Sie sank hinab in ihr Wolfsbewusstsein, in ihren ganz privaten Wahnsinn, und es war gut, dass er sie festgebunden hatte.
    Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und schaltete das Tonbandgerät ein, mit dem er normalerweise die therapeutischen Gespräche aufzeichnete. Wenn sie aufwachte, musste ihr klargemacht werden, was mit ihr in diesen Augenblicken geschah.
    Ein gefährliches Knurren ließ ihn seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zuwenden. Die Transformation ging nun schneller vor sich. Etwas unleugbar Bestialisches war in ihren Zügen, kaum etwas
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