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016 - Herrin der Woelfe

016 - Herrin der Woelfe

Titel: 016 - Herrin der Woelfe
Autoren: Hugh Walker
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Da war wieder der Alptraum.
    Blut. Wachsendes, fließendes, nasses Rot.
    Und ein unbeschreiblicher Geruch nach sterbendem menschlichem Fleisch.
    Das rotblonde Mädchen schrie mitten im Schritt auf und taumelte. Hände fingen sie auf, bevor sie stürzen konnte.
    Besorgte Stimmen drängten das Rot zurück in den Hintergrund, aus dem es so plötzlich aufgetaucht war.
    »… so weiß!«
    »Was ist mit Ihnen?«
    »… zu einem Arzt bringen.«
    Sie gewahrte die ernsten Gesichter um sich herum. Der schreckliche Alptraum wich.
    »Danke«, flüsterte sie. »Es geht schon wieder besser.«
    »Sie sollten einen Arzt aufsuchen, Kindchen«, meinte eine ältere Frau.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Es ist nichts.«
    Sie lächelte entschuldigend. Dann wandte sie sich ab und lief die Straße entlang.
    Keuchend blieb sie schließlich stehen. Ihr Herz pochte wild.
    Sie biss die Zähne zusammen. Mit diesen verdammten Träumen machte sie sich zum Narren auf offener Straße.
    Es gab kein Davonlaufen. Weder vor dem Blut, noch dem Grauen, noch dem Ekel. Es war alles in ihrem Kopf, lauerte irgendwo in verborgenen Winkeln des Bewusstseins, um plötzlich lähmend emporzutauchen und für Sekunden die Realität auszulöschen.
    Sie ballte die Fäuste und zwang sich, die Erinnerung abzuschütteln. Als sie weiter schritt, wirkte sie gleichmütig. Ihr bleiches, schmales Gesicht mit den blassen Lippen war von einer kühlen Schönheit. Nur ihre dunklen Augen enthüllten ein wenig von der inneren Erregung. Das weiße Kleid, das sie trug, bildete kaum einen Kontrast zu ihrer Haut. Die Sommersonne schien ihrem blassen Teint nichts anzuhaben. Doch der zarte, gebrechliche Eindruck, der dadurch entstand, täuschte. Ihren Bewegungen haftete etwas Geschmeidiges, beinahe Raubtierhaftes an. Als das Pressegebäude vor ihr auftauchte, hatte sie ihre Selbstsicherheit zurückgewonnen. Obwohl diese Alpträume längst vertraute Begleiter für sie waren, gab es kein Gewöhnen, keine allmähliche Verminderung des Schocks und des Entsetzens. Das unerwartete Auftauchen der Bilder ließ ihr keine Zeit, sich zu wappnen.
    Verdammter Mond! dachte sie, während sie die Stufen in ihre Abteilung hinauflief.
    Sowie er zunahm, quälten sie diese scheußlichen Träume.
    Und niemand und nichts hatte ihr helfen können. Weder der Psychiater noch intensive Ablenkung, noch betäubende Mittel.
    Die blutigen Bilder drangen ins Bewusstsein und hinterließen ihre roten Spuren. Sie hatte einen Mord beobachtet, als sie sieben war. Das war nun beinahe fünfzehn Jahre her. Dr. Ferring mochte recht haben, wenn er in diesem Erlebnis den auslösenden Faktor sah. Aber erklärte es auch ihre Mondsucht?
    Warum hatte sie während der Tage zwischen Vollmond und Neumond diese Träume?
    Solche Gedanken beschäftigten sie am meisten in den Minuten nach den Träumen, in denen sie verzweifelt war und mit allen Kräften versuchte, die schrecklichen Bilder aus dem Gedächtnis zu bannen, bevor die Angst vor dem nächsten Mal einsetzte.
    Ed Wolf erwartete sie bereits.
    Seine freundliche, erwartungsvolle Miene ließ sie aufatmen.
    Sie drängte die düsteren Gedanken zurück.
    »Hallo, Schönheit!« begrüßte er sie. »Artikel fertig?«
    Sie nickte, »’n Morgen, Eddie. Was siehst du mich so an?«
    »Ist dir nicht gut? Du solltest aufhören, nachts zu arbeiten.«
    »Nein, es ist nichts.«
    »Sieh mich an! Mit fünfundzwanzig noch immer keine Spur von Erschöpfung und Altersschwäche. Das macht der geregelte Beruf.«
    Sie lächelte. »Wann wirst du endlich erwachsen, Eddie?«
    »Pah, erwachsen!« Er machte eine abwehrende Geste. »Aber im Ernst, Thania, aus welchem Grab kommst du?«
    Sie wollte schon wütend reagieren, aber dann sah sie die Besorgnis in seinem Gesicht.
    »Nun ja«, fuhr er fort, »du bist sonst auch nicht der dunkle Typ, aber diese Seife solltest du nicht wieder nehmen.«
    Gegen ihren Willen lachte sie. »Ach Eddie, du bist verrückt!«
    Er nickte. »Warum machst du nicht Urlaub?«
    Fast hätte sie geantwortet: Weil ich verrückt werde, wenn ich allein bleibe, wenn ich nicht meine vertraute Umgebung um mich herum habe und die Arbeit, über der sich vieles vergessen lässt. »Vielleicht sollte ich es tun«, murmelte sie.
    Vielleicht sollte ich versuchen, mich zu verlieben, dachte sie.
    In irgendjemanden.
    Vielleicht wären starke Gefühle für einen anderen Menschen ein wirksames Mittel gegen die Träume. Sie erkannte plötzlich, dass sie zweiundzwanzig und noch nie richtig verliebt
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