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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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vor. Er redete vom Alleinsein und verwarf die Fahrt an die See unter den fadenscheinigsten Gründen. Dabei wollte er nur ganz einfach vermeiden, dass Menz oder ein anderer Anna auf die sich immer stärker verfärbenden Augen und Haare ansprach.
    Sie selbst merkte allerdings nichts von ihrer Verwandlung. Mehrmals beobachtete Veit sie vor einem Spiegel. Stets blieb sie gleichmütig.
    Konnte das wahr sein? Sie musste es doch auch sehen! Wer irrte tatsächlich? Sie? Öderer?
    Es kostete ihn Höllenqualen, den Liebenden zu spielen, aber es gelang ihm. Das lag jedoch weniger an seiner Überzeugungskraft als vielmehr an Anna, die die neu ausbrechende Liebe ihres Freundes glücklich und dankbar genoss.
    Das Wochenende schien kein Ende nehmen zu wollen. Obschon am Montag eigentlich Anna mit dem Seminar an der Reihe war, ging Veit zu Professor Idusch. Doch es gelang ihm nicht, ihn allein zu sprechen und ihm von der weiteren Entwicklung zu berichten.
    Auf dem Rückweg kaufte Veit in der Apotheke das stärkste rezeptfreie Schlafmittel und schluckte schon im Treppenhaus eine Handvoll Tabletten. Er fühlte sich nicht mehr fähig, die Verstellungskomödie weiterzuspielen.
    Übermütig und gutgelaunt empfing ihn Anna. Er heuchelte schwere Kopfschmerzen und Gliederreißen vor und ging, ohne einen Bissen zu essen, ins Bett. Als Anna ihm einen Gutenachtkuss gab, glaubte er, sterben zu müssen.
     

     
    Am Dienstagmorgen waren Veits Augen wie zugeklebt. Beim Erwachen fühlte er sich nicht krank, er war es. Anna – pechschwarz und gelbäugig – hockte an seinem Bett und fuhr über seine heiße Stirn.
    »Du hast Fieber, Liebster«, sagte sie mitfühlend. »Wir holen am besten einen Arzt, was?«
    »Nein, keinen Arzt! Hol’ mir was zu trinken. Ich ersticke.«
    Er schlug die Decke zurück.
    Anna deckte ihn jedoch wieder zu. »Auch noch eine Erkältung, was?«
    Veit hörte sie in die Küche gehen und zurückkommen.
    »Hier! Orangensaft tut gut.« Sie hielt ihm das Glas an die Lippen. »Ich hätte schon längst zur Vorlesung gehen müssen«, sagte sie, »aber ich konnte dich doch nicht allein lassen.«
    »Lieb …« murmelte Veit und dachte daran, was für einen Aufstand es an der Uni unter ihren Freunden geben würde, wenn Anna in ihren neuen Farben dort aufgekreuzt wäre. »Lass mich jetzt nicht allein!« bettelte er.
    Anna legte einen Finger an die Lippen. »Mach dir keine Sorgen, Liebling. Die Mutti passt schon auf ihren Jungen auf. Wir gehen in den nächsten Tagen den versäumten Stoff mit Hans durch. Alles kein Unglück. Wie fühlst du dich?«
    Veit log. »Schon besser. War was Besonderes inzwischen?«
    »Menz rief an. Steigt ja heute ins Mündliche. Wir sollen ihm die Daumen drücken. Ich drücke für dich mit.« Sie lächelte ihm zu. »Wird schon werden - ohne Reimers.« Sie musterte nachdenklich sein Gesicht. »Sonnabend sprachst du von einer Überraschung, Liebling. Erinnerst du dich noch?«
    »Ja, ja.«
    »Hing das mit lausch zusammen?«
    »Wieso? Wie kommst du darauf?« Anna lächelte. »Wie der Zufall so spielt. Du kennst doch meine Tante Dora, die kleine Verhutzelte …«
    »Ja, nette alte Dame. Was hat die denn damit zu tun?«
    »Sie ist der Zufall. Na, ich will dich nicht auf die Folter spannen. Sie wohnt Idusch gegenüber. Sie rief vorhin an und fragte, ob es möglich sei, dass sie dich Sonnabend bei ihm aus dem Haus hat kommen sehen.«
    Fragend fixierten Annas Augen Veit. Veit wog rasch die Chancen ab. Dies war eine Möglichkeit, Idusch ins Spiel zu bringen.
    »Ja«, sagte er. »Sie hat gute Augen, deine Tante Dora.« Er lachte gequält. »So platzen fromme Lügen.«
    »Nichts mit Überraschung?«
    »Wenigstens keine angenehme. Ich wollte den Ärger von dir fernhalten.«
    »Du und Ärger mit Idusch? Gibt’s das? Mit dem kann doch wirklich jeder …«
    »Aber ich habe schwer Ärger mit ihm. Doch mach dir keine Sorgen. Alles geht vorüber.« Veit lächelte müde. »Genügt, wenn einer sich mit ihm anlegt.«
    »Und das hast du?«
    »Leider. Und zwar gehörig. Mir gingen die Nerven durch. Dabei hatte ich ihn aufgesucht, um eine Panne auszubügeln.«
    Er hob die Schultern, griff zum Glas und trank es leer.
    Anna kuschelte sich an ihn. »Seit wann hast du denn Geheimnisse vor mir? Mal ’raus mit der Sprache!«
    »Ach, du weißt doch, dass ich unverbindlich mit ihm über meine spätere Promotion sprach.«
    Anna nickte.
    »Zwei Themen schlug er mir vor. Beide sagten mir nicht zu. Und weißt du, wie er reagierte?«
    »Keine
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