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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition)
Autoren: Carmen Mayer
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Erstes Buch

     
    Der Schlag gegen ihre Brust traf sie so unerwartet, dass sie die Augen aufriss, als könne sie auf diese Weise besser verstehen, was mit ihr geschah.
    Dann brach sie zusammen.
    Ein blutroter Streifen begleitete sie.

    Es war später Vormittag. Die Sonne kämpfte sich durch den Hochnebel über den Dächern Frankfurts, ein heller, diesiger Fleck hinter der grauen Dunstglocke. Die Stadt bot mit ihrem geschäftigen Treiben das gewohnte Bild eines ganz normalen Werktages.
     
    Simon Rössler stand am Fenster seines Büros. Seit über einer Viertelstunde betrachtete er versonnen die wie mit einer silbernen Aura umrandete Skyline der Stadt. Dafür hatte er seit Jahren hart gearbeitet: eines Tages hier zu stehen und zu jenen zu gehören, denen bereits während seines Studiums seine ganze Bewunderung gegolten hatte. Zu jenen, die in der dreiundvierzigsten Etage ihr eigenes Büro hatten und sich im wahrsten Sinne des Wortes über den Rest der Welt erhaben fühlen konnten. Simon liebte den Ausblick von hier oben, und er genoss ihn, sooft es seine Zeit erlaubte. Es war ein kleiner, geheimer Sieg über seinen Alltag.
     
    Das Gespräch mit seinem Teamchef am vorherigen Abend ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und blockierte seitdem seinen sonst so scharfen Verstand.
    „Simon, du solltest ganz schnell auf bessere Ergebnisse für die ASIC kommen, wenn du es hier weiter bringen willst“, hatte Daniel am Ende eines vor Selbstgefälligkeit triefenden Monologs gesagt. „Der Vorstand ließ sich bei der letzten Sitzung ein paar Akten vorlegen, die du bearbeitet hast. Wie ich hörte, sind die Herren nicht begeistert.“ Als ob Simon nicht verstanden hätte, was er damit meinte, hatte Daniel es ins Englische übersetzt: „They are not amused.“
    Ein süffisantes Lächeln war ihm dabei übers Gesicht gerutscht. „Sie fragen sich ernsthaft, für wen du arbeitest: für unsere Gesellschaft oder für unsere Kunden. Du bist dafür verantwortlich, dass die ASIC bei großen Beträgen nicht von Versicherungsbetrügern übervorteilt wird, erinnerst du dich daran?“
    Natürlich erinnerte er sich daran, war ja sein Job. Klugscheißer!
     
    Simon ließ sich auf seinen Bürosessel fallen und öffnete eine Mappe mit Computerausdrucken. Er müsste deren Inhalt inzwischen eigentlich auswendig kennen, so oft hatte er heute schon auf die Seiten gestarrt.
    Eigentlich.
    „They are not amused“, brummte er vor sich hin, knallte die Mappe wieder auf den Schreibtisch, faltete die Hände darüber und ließ die Fingerknöchel knacken.
    „Ich denke!“, äffte er Daniel mit zusammengebissenen Zähnen nach. „Glaubst du, ich wüsste nicht, wer dem Vorstand immer mal wieder einen heißen Tipp gibt? Ich denke nämlich auch .“ Er schüttelte den Kopf. „Und ich find’s überhaupt nicht komisch.“
     
    Daniel Savarini war extrem ehrgeizig und knallhart auf Erfolg programmiert. Schließlich war seine Frau Carolin die Tochter Peter Vandenberghs, seines Zeichens Vizevorstand der ASIC.
    Die ASIC war eines der größten und bedeutendsten Versicherungsunternehmen bundesweit, deren Muttergesellschaft in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten alle Konkurrenten in die Tasche steckte. In Deutschland arbeitete man fieberhaft an einem ähnlichen Ergebnis.
    Wer bei der ASIC einen der begehrten Jobs ergattern konnte, stand ganz oben, konnte sich darauf aber nicht ausruhen, denn die Anforderungen waren extrem hoch.
    Simon und Daniel lernten sich kennen, als sie im Foyer der ASIC auf ihr Vorstellungsgespräch warteten.
    Gemeinsam hatten sie auf weißen Ledersesseln zwischen exotischen Pflanzen, viel Glas, blütenweißem Carrara-Marmor und blank poliertem Messing die sich scheinbar endlos hinziehende Zeit durchgestanden, bis sie zu ihren Gesprächen gebeten wurden.
    Sie hatten mit-und füreinander um die angestrebten Jobs gezittert, wenige Tage darauf zunächst beim Italiener um die Ecke ihre Einstellung gefeiert, später im Schulterschluss die ersten, aufregenden Arbeitstage bei der ASIC überstanden.
    Sie hatten einen Teil ihres ersten Gehaltes in einer Kneipe außerhalb der Stadt verbraten, als sie dort ein Wochenende lang mit den übrigen Stammkunden zechten.
    Sie hatten gemeinsam die Anfangsintrigen von Kolleginnen und Kollegen überwunden, sich ihre eigenen Positionen in zähen Prozessen erkämpft, Strategien gegen diejenigen entwickelt, die sie zu mobben versuchten, sich in ihrer Zielsetzung immer und immer wieder gegenseitig ermutigt und
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