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0146 - Hinter der Zeitmauer

Titel: 0146 - Hinter der Zeitmauer
Autoren: Unbekannt
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von 22.00 bis 09.00. Jenseits des Tisches war die Tür mit der doppelten elektronischen Verriegelung, zu der nur der jeweilige Wächter und noch irgendein hoher Beamter, den Ulloh nicht kannte, die nötigen Schlüssel besaß.
    Der Raum war also eine kleine Festung. Von seinen Schaltbrettern aus konnte Ulloh im Notfall die Polizei des gesamten Planeten alarmieren. Er wünschte sich insgeheim, daß ein solcher Notfall doch endlich einmal einträte. Hinter seiner Glassex-Scheibe war er sicher. Sie mochten draußen das Stadthaus anzünden, es ausplündern oder in die Luft jagen. Ihm konnte dabei nichts passieren. Aber leider waren die einzigen Leute, die in der Nacht hier herkamen, solche, die tagsüber keine Zeit hatten, sich den Etat-Plan der Stadt Lareddin anzusehen. Da sie aber dazu verpflichtet waren und durch Eintragung ihres Namens in das Registerbuch, das genaugenommen gar kein Buch war, sondern eine positronische Registrierfolie, nachweisen mußten, daß sie den Stadtetat studiert und für gut befunden hatten, kamen sie eben in der Nacht. Jede Nacht etwa ein Dutzend von ihnen. Sie gingen an Ullohs Kabine vorbei und fuhren mit dem Antigrav zur Lesehalle hinauf. Dort lasen sie den Etat, machten ihre Eintragung und gingen wieder fort. Keiner von ihnen war jemals auf die Idee gekommen, etwas zu stehlen oder ein Türschloß zu demolieren, so daß Ulloh hatte eingreifen können.
    Ulloh gab sich seinem Unmut hin. Als draußen vor den breiten Glastüren des Hauptportals ein Schatten auftauchte, wußte er genau, daß es wieder einer von den Etat-Lesern sein wurde. Der Schatten öffnete die Tür und kam in die Halle herein. Ulloh sah eine hochgewachsene, breitschultrige Gestalt, ein bißchen merkwürdig gekleidet. Das Gesicht war breiter als das der meisten Leute, die Ulloh kannte, aber ebenso hoch. Alles in allem wirkte der Mann ein wenig exotisch. Ulloh schaute ihn an in der Hoffnung, er könnte den Fremden dazu bringen, daß er ein paar Worte mit ihm sprach. Das schien ihm zu gelingen. Der Mann kam auf Ullohs Glaskabine zu und blieb vor dem großen Fenster stehen, so daß er den fluoreszierenden Ring gerade vor sich hatte.
    „Ich möchte den Etat-Plan lesen", erklärte er.
    „Nehmen Sie Lift Nummer vierzehn", antwortete Ulloh, „fahren Sie zur achtundzwanzigsten Etage. Dort oben gibt es nur den Lesesaal. Die Bücher liegen auf den Tischen aus."
    „Ich danke Ihnen", sagte der Fremde.
    Dann wandle er sich ab, machte zwei, drei taumelnde Schritte auf den Lift zu - und fiel um.
    Ulloh sprang auf. Der Fremde lag reglos am Boden. Er mußte ohnmächtig geworden sein. Man mußte etwas für ihn tun. Einen Arzt rufen. Ulloh fuhr herum. Die rechte Hand schoß nach vorn, um die Rufknopfe für Polizei und Arzt zu drucken. Da fiel Ulloh ein, daß es ziemlich lächerlich wäre, eine Menge Leute zu alarmieren, wenn der Mann da draußen nur über seine eigenen Fuße gestolpert war und sich beim Hinfallen einen Knöchel verrenkt hatte, so daß er nicht mehr aufstehen konnte. Er mußte sich zuerst vergewissern.
    Er trat zur Tür. Es fiel ihm ein, daß man es ihm strikt verboten hatte, seinen Wachraum zu verlassen Was nutzte ein Wächter, der nicht mehr in seiner Festung saß und keinen Alarm mehr schlagen konnte? Aber der da draußen war ja bewußtlos. Von ihm drohte keine Gefahr. Und außerdem...
    Ulloh öffnete die Tür und ging hinaus. Begierig zu helfen, beugte er sich über den Gestürzten und versuchte ihn an der Schulter auf den Rucken zu drehen. Er mußte sich mächtig anstrengen. Der Fremde war ziemlich schwer. Ulloh erkannte schließlich, daß er noch atmete und auch die Augen offen hatte. Das verwunderte ihn, und er wollte fragen, was denn eigentlich geschehen sei. Dazu kam er aber nicht mehr. Mit einem kräftigen Ruck richtete sich der Unbekannte auf. Gleichzeitig schoß sein rechter Arm nach vorn, und eine geballte Faust traf Ulloh so hart gegen das Kinn, daß er umkippte und sich auf dem Boden ein paar Mal um seine eigene Achse drehte. Ein paar Augenblicke lang dröhnte es ihm in den Ohren, und vor den Augen wogte ein bunter Schleier, durch den er nicht hindurchsehen konnte. Als sein Blickfeld wieder frei war, stand der Fremde hochaufgerichtet vor ihm und hielt eine Waffe in der Hand, einen kleinen Blaster.
    „Stehen Sie auf und bringen Sie mich zu den Tresorräumen!"
    befahl er.
     
    *
     
    Jerry gestand sich ein, daß er Glück gehabt hatte. Hätte er an Stelle des alten, naiven Mannes einen anderen Wächter im
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