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0139 - Wo der Werwolf lauert

0139 - Wo der Werwolf lauert

Titel: 0139 - Wo der Werwolf lauert
Autoren: Walter Appel
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Raffael, davon verstehst du nichts. Ich könnte jetzt doch keine Ruhe finden. Bring mir den Kaffee und die Sandwiches.«
    Aber Raffael gab so schnell nicht auf.
    »Sie müssen neue Kräfte sammeln, Professor, so erreichen Sie nichts. Wenn man zu verbissen einem Ziel nachjagt, entfernt es sich immer mehr. Machen Sie einen Urlaub an der Côte d’Azur. Wenigstens vierzehn Tage, danach werden Sie mit frischem Mut und neuen Kräften an Ihre Aufgabe herangehen können.«
    »Ich soll mich in die Sonne legen und ausruhen, während Nicole und Bill im Jenseits verschollen sind und vielleicht fürchterliche Qualen erleiden? Du weißt nicht, was du sagst, Raffael. - Geh jetzt.«
    »Für halb Elf haben sich ein paar Bauern aus der Umgebung angesagt, die mit Ihnen über die Pachtrechte für Ihre Ländereien verhandeln wollen. Die Pachtzeit läuft nach der Ernte ab.«
    »Erledige du das, Raffael. Laß mich damit zufrieden. Von mir aus können die Bauern die Felder einbetonieren, das interessiert mich jetzt nicht.«
    Seufzend ging Raffael hinaus. Mit Zamorra war nicht zu reden. Als der Butler die Tür hinter sich schloß, hatte Zamorra ihn bereits vergessen, so vertieft war er in seinen althochdeutschen Text. Er handelte von Klingsor dem sagenhaften Magier des Mittelalters, einem Nachläufer Merlins.
    Aber Klingsor war undurchsichtiger als der Alte von Avalon. Es hieß, er sei nicht nur auf dem rechten und geraden, sondern auch auf dem linken und ungeraden Pfad gewandelt. Klingsor sollte zu einem Schwarzmagier und Teufelsbeschwörer geworden sein.
    Seine Lebensgeschichte wurde in der althochdeutschen Chronik des Bertram von Leyden, der »Schrifft vumb der Weissen und der Schwärzten Kunzt«, ziemlich verworren dargestellt. Aber es hieß darin, daß Klingsor mit Hilfe der Kabbala, der Geheimschrift des Judentums, Kenntnis über alle Sphären und deren Bewohner und Geschehnisse habe erlangen können.
    Jetzt suchte Zamorra einen näheren Hinweis, wie Klingsor das angestellt hatte. Denn der Professor konnte nicht die ganze Kabbala durchackem, was Jahre gedauert hätte. Er fand den Hinweis erst eine ganze Weile später, beim dritten Durchlesen des komplizierten Textes, in einer Fußnote.
    Da standen die hebräischen Buchstaben Cheth und Lamed. Zamorra rieb sich über die geröteten Augen. Es gab in der Kabbala ein Buch der Geheimen Weisheit, das Chochma Mistara. Wie nun, wenn Cheth, was dem lateinischen Laut Ch entsprach, für Chochmal Mistara stand?
    Und Lamed oder L hatte zugleich auch eine Zahlenbedeutung, es stand nämlich für 30. Zamorra suchte das Chochma Mistara in der Bibliothek heraus und schlug im 30. Kapitel nach. Für das komplizierte Hebräisch des Chochma Mistara brauchte er eine Übersetzungshilfe.
    Im 30. Kapitel des Chochma Mistera war tatsächlich eine Beschwörung angeführt, die alle Sphären des natürlichen und des übernatürlichen Universums eröffnen sollte. Sie wurde als sehr gefährlich bezeichnet, denn nicht die Kräfte der Weißen Magie, sondern die der Hölle selbst sollten die Kunde bringen.
    Eine Feuerhand würde sie an die Wand schreiben. Zamorra war den Tag über mit Vorbereitungen beschäftigt, denn die einzig mögliche Zeit für jene. Beschwörung war die Geisterstunde. Zamorra brauchte Friedhofserde, einen Totenschädel, Knochenasche, die Schwanzfeder eines schwarzen Hahnes und weitere Ingredienzien.
    Ferner die aus Holz geschnittenen Buchstaben des hebräischen Alphabets. Der Professor verfügte über alle möglichen Mittel für magische Experimentalzwecke. Es fiel ihm nicht schwer, das Notwendige zu beschaffen.
    Einen Teil des Tages verbrachte er mit Konzentrations- und Vorbereitungsübungen. Lange vor der vorgeschriebenen Stunde schon hatte er alles bereit und wanderte unruhig umher. Zamorra trug eine lange schwarze Robe, um seinen Hals hing das magische Amulett, das er von seinem Vorfahr Leonardo de Montagne übernommen hatte.
    Es stammte von Merlin, dem großen Weißen Magier von Avalon. Merlin hätte Zamorra weit lieber befragt, als den Kabbalazauber des anrüchigen Klingsor anzuwenden. Aber der Alte von Avalon entzog sich hartnäckig Zamorras Bemühungen.
    Er lebte in höheren Sphären und war auch dem von ihm bevorzugten Zamorra keineswegs immer zugänglich.
    Die Geisterstunde schlug von der Kirchturmuhr unten in dem Dorf, das Zamorras Château überragte. Im Dienstbotentrakt stand Raffael in seinem Zimmer am Fenster und beobachtete besorgt den Eckturm, wo Zamorra in dem speziell dafür
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