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0137 - Die Bestien der Madame

0137 - Die Bestien der Madame

Titel: 0137 - Die Bestien der Madame
Autoren: Friedrich Tenkrat
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überhaupt noch Zukunft?
    Claire wollte auch nicht mehr verfügbar sein, wenn Eugene mit dem Drink zurückkehrte. Er würde das Glas vermutlich enttäuscht selbst leeren und sich einem anderen Mädchen zuwenden.
    Claire Biggers nahm sich vor, nach dem Rundgang noch einmal kurz hereinzusehen, und wenn Norman dann immer noch keine Anstalten machte, sich ordentlich zu benehmen, würde sie allein nach Hause fahren.
    Sie trat auf die Straße. Mit nackten Armen und nackten Schultern.
    Viel zu leicht war sie angezogen für diesen Abend. Es war immerhin Anfang November. Aber die Party war so heiß gewesen, daß Claire die nunmehrige Abkühlung sehr willkommen war.
    Es war auch nicht sonderlich kühl. Der Herbst zeigte sich ein letztesmal von seiner mildesten Seite, bevor er mit Kälte und Frost zuschlug.
    In Gedanken versunken ging Claire die Straße entlang. Sie wälzte Probleme. Norman Coughlin war eines. Wollte sie wirklich mit ihm zusammenbleiben? Für immer? Hieß es nicht, daß sich verschiedene Wesenszüge im Alter ausprägten? Würde Norman in späteren Jahren mehr trinken? Öfter streiten? Sich öfter mit Flittchen wie Neely Boyd vergnügen?
    Nebel krochen hinter dem Mädchen her.
    Jetzt schauderte Claire zum erstenmal. Aber sie bekam es nicht richtig mit. Zu sehr war sie mit ihren Gedanken beschäftigt. Ihre schlanken Hände steckten in den Taschen des Kleides. Ihr Blick war auf den Asphalt gerichtet. Wie eine Schlafwandlerin setzte sie einen Fuß vor den andern.
    Sie kam an einer altmodischen Laterne vorbei.
    Ein leises Geräusch drang an ihr Ohr.
    Sie blieb stehen, wandte sich um.
    Nichts war zu sehen. Nur ein bißchen Nebel, dessen Fetzen wie Geister herumtanzten. Claire hatte keine Angst davor. Sie war in London geboren und aufgewachsen. Sie kannte den Nebel seit ihrer frühesten Kindheit. Er war ein Teil von London. Sie sah keine Notwendigkeit, sich vor ihm zu fürchten. Er gehörte zur Stadt wie die Häuser, wie die Laterne dort. Hätte sich Claire nicht auch davor fürchten müssen?
    Sie ging weiter.
    Ihr fiel nicht auf, daß sich nicht weit hinter ihr der schwere Gullydeckel bewegte. Er drehte sich hin und her, als würden Geisterfinger ihn berühren.
    Vorhin war das schon mal passiert. Das hatte das Geräusch hervorgerufen, das Claire gestoppt hatte.
    Nun hörte sie nichts mehr.
    Denn der Deckel war angehoben worden. Er scheuerte nicht mehr in seinem rostigen Bett.
    Das runde Ding kippte. Steil stellte es sich auf. Im darunterliegenden schwarzen Schatten glühten zwei rote Punkte.
    Augen!
    Monsteraugen!
    Doch Claire ahnte nichts davon. Gedankenverloren setzte sie ihren Gang um den Häuserblock fort. Hinter ihr zuckte eine Krallenpranke aus der Gullytiefe hervor.
    Die grün geschuppte Tatze kratzte über den Asphalt. Eine grün geschuppte Schulter drückte den runden Gullydeckel noch weiter auf, und im nächsten Augenblick war eine grauenerregende Bestie zu sehen.
    Jetzt hätte sich Claire Biggers umdrehen müssen!
    Aber sie war immer noch ahnungslos.
    Ein furchterregender Drachenkopf war zum Vorschein gekommen. Giftgrün. Mit Ohren hoch oben auf dem klotzigen Schädel, die wie Hörner aussahen. Das Scheusal starrte hinter Claire her. Mordgier glühte in seinen Augen.
    Das Wesen öffnete sein riesiges Maul. Lange, kräftige Drachenzähne schimmerten. Mit einem einzigen Biß konnte dieses Untier jeden Menschenknochen zermalmen.
    Weißer Geifer floß dem Ungeheuer aus dem Maul, während sich die lange, rosige Spaltzunge flatternd bewegte.
    Töten!
    Das Untier wollte töten!
    Und Claire Biggers sollte sein Opfer sein…
    ***
    Henry Taviss war von Berufs wegen immer aufmerksam. Auch dann, wenn er sich zu seinem Privatvergnügen auf einer Party befand – so wie es an diesem Abend der Fall war.
    Taviss war Reporter. Er kannte viele Leute, wurde oft eingeladen, trank niemals übermäßig viel, hielt sich lieber an das kalte Büfett, was man seiner Figur auch anmerkte. Er war nicht dick, aber er sah wohlgenährt aus.
    Ihm war nicht entgangen, was sich zwischen Claire Biggers und Norman Coughlin abgespielt hatte. Er hatte gesehen, wie sich Norman mit Neely Boyd danebenbenahm, und ihm war aufgefallen, daß Claire die Party liebend gern verlassen hätte.
    Auch Taviss wollte gehen.
    Er hatte nicht vorgehabt, lange zu bleiben, wollte nur mal kurz hereinschauen und allen guten Tag sagen – ein Gesichtsbad nehmen, wie das so schön heißt.
    Gerade als Henry Taviss Claire das Angebot machen wollte, sie in seinem Wagen
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