Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0137 - Die Bestien der Madame

0137 - Die Bestien der Madame

Titel: 0137 - Die Bestien der Madame
Autoren: Friedrich Tenkrat
Vom Netzwerk:
Biggers lebte also noch. Aber es schien ihr dreckig zu gehen. Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit – alles das hatte sich in ihrem Schrei befunden.
    Taviss riß die Augen auf.
    Er fuhr sich an die Lippen.
    »Mein Gott!« preßte er heiser hervor.
    Er wollte als erster in den Gully hinabsteigen, drängte Bill Conolly zur Seite und wollte auch mich mit der Schulter vom Einstieg wegrammen. Doch ich wich keinen Zentimeter zurück.
    »Wir müssen zu ihr!« keuchte Taviss.
    »Richtig. Aber nicht Sie zuerst!« gab ich zurück.
    Unten schrie das Mädchen wieder. Der Schrei entfernte sich. Ich vernahm das dumpfe Knurren der Bestie.
    Taviss tanzte von einem Bein auf das andere. »Verdammt, was ist bloß mit meinen Nerven los? Zum Wegschmeißen sind sie. Ich dachte immer, ich wäre jeder Situation gewachsen. Und nun…«
    »Dies ist eine Ausnahmesituation«, sagte Bill Conolly. »Darauf reagiert man auch anders als für gewöhnlich.«
    »Ich habe Angst.«
    »Dann sollten Sie lieber hierbleiben«, sagte Bill.
    Taviss schüttelte heftig den Kopf. »Nicht um mich. Ich habe Angst um Claire.«
    Bill nickte ernst. »Die ist allerdings berechtigt.«
    Inzwischen war ich im Gully verschwunden.
    Nun kam Bill an die Reihe…
    ***
    Als Claire Biggers zu sich gekommen war, hatte sie sich lange Zeit nicht ausgekannt. Sie hatte nicht gewußt, was passiert war.
    Nur ganz langsam kehrte die Erinnerung zurück. Sie war auf dieser Party gewesen. Norman Coughlin hatte sich nicht so benommen, wie es sich gehört hätte. Er hatte sich vor allen auf eine beinahe schamlose Weise mit Neely Boyd amüsiert. Eugene Walton hatte geglaubt, die Situation ausnützen zu können, aber als er einen Drink für sie holen wollte, war sie ihm entwischt. Den Gebäudeblock hatte sie einmal umrunden wollen. Mit sich allein hatte sie sein wollen.
    Aber dann…
    Es war so schrecklich, daß sich Claires Gedanken dagegen sträubten.
    Sie hatte ein Geräusch vernommen, war stehengeblieben, hatte aber nichts gesehen und ihren Weg fortgesetzt. Doch schon bald hatte sie sich nicht mehr konzentrieren können. Sie war unruhig geworden.
    Ein unangenehmes Gefühl hatte sich ihrer bemächtigt. Sie hatte mit einemmal Angst verspürt. Angst wovor?
    Sie konnte sich bald des Eindrucks nicht mehr erwehren, daß jemand hinter ihr war, daß ihr jemand folgte. Mit der wachsenden Unruhe wuchs auch die Furcht.
    Plötzlich hörte sie ein Hecheln.
    Sie wirbelte herum und sah sich einer grauenerregenden Bestie gegenüber, deren Augen vor Mordlust glühten.
    Der Anblick war für Claires schwache Nerven zuviel gewesen.
    Sie war vor Schreck in Ohnmacht gefallen, und vor wenigen Augenblicken erst war sie zu sich gekommen.
    Wo war sie?
    Es roch nach Kloake. Feuchtigkeit umgab sie. In ihrer Nähe gluckste und plätscherte es, als würde ein Bach vorüberfließen.
    Sie mußte sich in der Kanalisation befinden. In Londons Unterwelt. Bestimmt waren Ratten in der Nähe. Claire ekelte sich vor diesen Tieren. Ein kalter Schauer durchlief ihren Körper.
    Jetzt erst wagte sie die Augen zu öffnen.
    Sie hatte befürchtet, daß die Bestie sie töten würde. Aus welchem Grund hatte das Ungeheuer sie hergebracht? Wo war das Scheusal nun?
    Vorsichtig hob Claire Biggers den Kopf. Das Monster war nicht da. Claire wagte es, sich aufzusetzen. Ihr Herz trommelte wie verrückt gegen die Rippen. Sie mußte fliehen. Vielleicht war das grausige Wesen in der Nähe.
    Oder beobachtete das Ungeheuer sie aus der Dunkelheit heraus?
    Bei diesem Gedanken erschrak Claire.
    Herr im Himmel, laß das Scheusal verschwunden sein, flehte sie.
    Langsam stand sie auf. Sie fühlte sich schwach, irgendwie verbraucht. Wie eine alte Frau kam sie sich vor.
    Es war ein Fehler gewesen, allein die Party zu verlassen. Wenn sie die Gesellschaft Eugene Waltons ertragen hätte, wäre ihr all das erspart geblieben. Sie legte die Hand auf die Wand. Ein ekeliges Gefühl war das. Aber Claire war gezwungen, sich vorwärtszutasten.
    Die Sicht war denkbar schlecht.
    Sie sah in dem, was geschehen war, keinen Sinn.
    Warum hatte das Monster sie hierher verschleppt? Um sie dann einfach liegen zu lassen und zu verschwinden? So lief das Spiel des Scheusals bestimmt nicht.
    Claire hatte einen anderen Verdacht.
    Die Bestie hatte die Absicht gehabt, sie zu töten, hatte aber keine Lust gehabt, einer Bewußtlosen das Leben zu nehmen. Es war viel grausamer, einen Menschen umzubringen, wenn er es von Anfang an geistig mitbekam, und grausam war dieses Ungeheuer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher