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0125 - Der Leichenbrunnen

0125 - Der Leichenbrunnen

Titel: 0125 - Der Leichenbrunnen
Autoren: Jason Dark
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nicht!«
    Er wollte wegrennen, doch dagegen hatten die höllischen Aufpasser etwas. Ein Schlag mit dem Gewehrlauf streckte Gavin Nesbitt zu Boden. Wimmernd blieb er liegen und preßte beide Hände auf seine getroffene Schulter.
    »Darf ich ihm hochhelfen?« fragte Lionel.
    »Nein!«
    In diesem Augenblick meldete sich das Skelett am Fenster. »Baxman kommt!« rief es grollend…
    ***
    Ich erholte mich langsam. Immer wenn ich tief einatmen wollte, hatte ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Dieser widerliche Gestank auf dem Grund des Brunnens brachte mich noch um.
    Lange durfte ich nicht mehr liegen bleiben.
    Ich stemmte mich hoch, sah in der rechten Hand etwas glitzern und erkannte mein Kreuz.
    Ich hatte es instinktiv festgehalten, wie einen Rettungsanker, was es auch war.
    Meine Knie waren weich. Es gab kaum eine Stelle, die nicht schmerzte. Ein paar Blutergüsse und Prellungen hatte ich mir sicherlich zugezogen.
    Aber ich lebte.
    Und ich war auch bereit, gegen sie anzutreten. Zum Henker, die Mächte der Finsternis sollten keinen Sieg erringen. Ich wollte es ihnen so schwer wie möglich machen.
    Baxman war entkommen.
    Daran gab es nichts zu rütteln. Und er hatte einen verdammt großen Vorsprung, den ich kaum einholen konnte. Wo er hinwollte, war mir klar. Und was er mit den Menschen machte, das konnte man auch leicht erraten. Sie befanden sich in höchster Lebensgefahr, falls Baxman sie nicht schon getötet hatte.
    Der Gedanke daran gab mir neue Kraft und peitschte auch meine Wut gegen dieses Wesen hoch. Wenn noch etwas zu retten war, dann mußte ich es versuchen und durfte keine Sekunde mehr verlieren.
    Ich begann mit dem Aufstieg.
    Noch immer schmerzten die Schultern und zitterten meine Beine, als ich mit den Fußspitzen nach dem ersten Steigeisen suchte. Ich fand es und kletterte hoch.
    Mit Schrecken mußte ich feststellen, daß die Axt nicht mehr zwischen den Steinen im Brunnenrand steckte. Baxman mußte sie mitgenommen haben.
    Das Klettern wurde zu einer regelrechten Qual, ein mühsames Unterfangen, und ich mußte immer wieder pausieren, um neuen Atem zu schöpfen.
    Die Luft allerdings wurde besser, je höher ich kam. Beiß die Zähne zusammen, sagte ich mir. Du schaffst es, du mußt es schaffen.
    Ich kletterte weiter.
    Mittlerweile spielten auch meine verkrampften Muskeln wieder mit. Yard für Yard überwand ich. Meine Hände fanden mit traumwandlerischer Sicherheit die Steigeisen. Hin und wieder hielt ich inne und blickte nach oben.
    Als graues Schemen zeichnete sich das Ende des Brunnens ab.
    Ein Kreis, der kaum näherzurücken schien. Doch als der erste kühle Luftzug mein Gesicht traf, atmete ich auf.
    Bald hatte ich es hinter mir!
    Irgendwie wurde ich durch den Luftzug beflügelt, auf einmal ging alles schneller, und dann tauchten die letzten drei Steigeisen vor mir auf.
    Ich sah den Brunnenrand, streckte meinen rechten Arm aus, umfaßte ihn und stemmte mich hoch.
    Mit dem Oberkörper lag ich auf der brüchigen Mauer, während meine Beine noch in den Schacht baumelten. Dann ließ ich mich nach vorn fallen, rollte mich über die Schulter ab und blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen völlig erschöpft auf dem Rücken liegen.
    Luft!
    Herrliche, frische Luft. Ich saugte sie gierig in meine Lungen. Ich fühlte mich wie ein König, weil ich eben diese Luft zum Atmen hatte.
    Ich war dem Leichenbrunnen entkommen.
    Allerdings hatte ich die Leichen nicht gesehen. Ich wollte es auch gar nicht. Wahrscheinlich lagen sie wie auch Baxman irgendwo unter der Erde verschüttet und waren längst vermodert.
    Lange konnte und durfte ich mich nicht ausruhen, denn es galt, Menschenleben zu retten.
    Falls es nicht schon zu spät war…
    Ich rollte auf den Bauch und stemmte mich hoch. Am Brunnenrand hielt ich mich dabei fest, um auf die Beine zu kommen. Erst einmal schwankte die Welt wieder vor meinen Augen, und ich mußte ein paar tiefe Atemzüge durchstehen, um wieder einigermaßen auf der Höhe zu sein.
    Voll da war ich noch lange nicht. Dafür hatte ich zuviel einstecken müssen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo ich mich revanchieren konnte.
    Die Richtung hatte ich mir gemerkt. Ich wußte, wie man zu Horse Lodge kam, auch durch den Wald.
    Es war in der Tat ziemlich dunkel geworden und auch kalt. Der Wind fuhr mir unangenehm durch die Kleidung, bog die Zweige der nahen Bäume und rieb die Blätter raschelnd gegeneinander.
    Ich näherte mich meinem Ziel und tauchte dabei in den Wald ein.
    Dann hatte ich Glück.
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