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0112 - Das Hexendorf

0112 - Das Hexendorf

Titel: 0112 - Das Hexendorf
Autoren: Walter Appel
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kam die Treppe herunter. »Sag mal, was hast du denn vor? Was soll denn der Koffer?«
    Nicole schaute sich um und lauschte, aber sie und Bill Fleming waren allein. Zamorra und der Butler Raffael schliefen.
    »Ich will Zamorra verlassen«, flüsterte Nicole, die eine Stufe tiefer als Bill stand. »Wir verstehen uns nicht mehr, von der großen Liebe ist nichts geblieben. Es ist vorbei, ich mag keine große Szene, ich gehe.«
    Bill sank der Unterkiefer herab.
    »Sag mal, du bist wohl nicht mehr ganz beisammen? Ich glaube, mich tritt ein Elefant. Das gibt es doch überhaupt nicht. Zamorra und du, ihr wart doch von meiner Ankunft am späten Nachmittag bis… ja, bis zu deiner kurzen Ohnmacht ein Herz und eine Seele.«
    »Wir haben dir etwas vorgespielt. In Wirklichkeit haben wir uns nichts mehr zu sagen. Außerdem ist Zamorra in der letzten Zeit kalt, verletzend und seelich grausam zu mir gewesen. Seine Arbeit hat ihm ja schon immer mehr bedeutet als ich, aber jetzt will er überhaupt nichts mehr von mir wissen.«
    Bill konnte nur staunen. Daß Zamorra und Nicole kein Paar mehr sein sollten, ging ihm nicht in den Kopf.
    »Komm mit auf mein Zimmer«, sagte Nicole. »Ich will dir erzählen, was in den vergangenen Wochen alles vorgefallen ist und wie sich mein Verhältnis zu Zamorra gewandelt hat. Deshalb hatte ich wohl auch die Ohnmacht heute abend. Die seelischen Qualen sind nicht spurlos an mir vorübergegangen, das Theaterspielen vor dir war zuviel für mich.«
    »Aber weshalb schenkt dir Zamorra denn den teuren Schmuck, wenn er dich nicht mehr mag?«
    »Das kann ich dir alles genau erklären, aber nicht hier auf der Treppe.«
    Nicole führte Bill Fleming zu ihren Räumen. In dem Wohnzimmer mit den modernen Aquarellen an der Wand, den tiefhängenden futuristischen Lampen und dem bunten Flickenteppich stellte sie den Koffer ab.
    Bill half ihr aus dem Mantel. Er legte ihn über einen Sessel, sein Blick streifte die halbvolle Wasserkaraffe auf dem Tisch mit der Glasplatte. Er tastete nach seinen Zigaretten und wollte sich setzen.
    Doch Nicole sagte: »Geh ans Bücherregal und nimm Shakespeares Gesammelte Werke heraus, Bill. Darin findest du den Entwurf eines Briefes, den Zamorra an einen alten Freund geschrieben hat. Er äußert sich darin sehr abfällig über mich. Ich habe diesen Briefentwurf zufällig in einem Schreibblock in Zamorras Arbeitszimmer entdeckt.«
    »Zamorra schreibt Briefe über dich an Dritte?«
    »Ich wollte es erst auch nicht glauben, aber sieh nur selbst.«
    Bill Fleming wurde immer verwunderter. Er dachte an nichts Böses, keinen Augenblick glaubte er, daß ihm von Nicole Duval Gefahr drohte. Er trat an das Bücherregal und zog den in Leder gebundenen Shakespeare-Wälzer heraus. Er stand seitlich zu Nicole. Sie trat hinter seinen Rücken und nahm die schwere Wasserkaraffe.
    Bill durchblätterte den Wälzer.
    »Ich kann in diesem Buch keinen Brief finden, weder von Zamorra, noch von sonst jemandem.«
    Ein leises Geräusch warnte Bill. Er wollte herumwirbeln, aber da war es schon zu spät. Die Karaffe krachte mit solcher Wucht auf seinen Kopf, daß sie zerbrach. Ein Schwall Wasser ergoß sich über Bills Nacken und Jackett.
    Wie vom Blitz getroffen brach er zusammen. Mit einem bösen Lächeln betrachtete Nicole Duval die blutende Platzwunde am Hinterkopf des Bewußtlosen.
    »Du dämlicher Narr«, sagte sie leise. »Bis du aufwachst, bin ich schon weit fort. Am liebsten würde ich dich umbringen, weil du ein Freund von diesem Zamorra bist. Aber dazu ist es noch zu früh. Falls du dich aber jemals in Czerkössy blicken läßt, bist du verloren.«
    Nicole zog ihren Mantel wieder an und nahm den Koffer. Sie gönnte Bill Fleming keinen weiteren Blick mehr und ging aus dem Zimmer. Sie löschte das Licht. Bill Fleming blieb reglos zurück, sein Blut versickerte im Teppich.
    ***
    Pierre Janvier und Hector Bruton waren Lastwagenfahrer. Sie fuhren die Routen Paris-Madrid und Paris-Sevilla für eine Obstgroßhandlung. Es war immer eine Hetzerei, ständig wurden die Termine zu kurz angesetzt, und die Fahrer konnten dann sehen, wie sie die Zeit herausschindeten.
    Am Nachmittag des vorvorigen Tages waren sie von Sevilla mit einer Ladung spanischer Navel-Orangen losgefahren. Seitdem hatten sie, vom Aufenthalt an der Grenze und einem kurzen Stop bei Mont-de-Marsan abgesehen, nur um zu essen und auf die Toilette zu gehen gehalten.
    Beim Fahren wechselten Janvier und Bruton sich ab. An diesem Vormittag, und das möglichst
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