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0112 - Das Hexendorf

0112 - Das Hexendorf

Titel: 0112 - Das Hexendorf
Autoren: Walter Appel
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früh, sollten sie ihre Ladung schon in den Großmarkthallen abliefern. Bruton lag in der Koje und schnarchte. Janvier hockte hinterm Steuer, die Gauloise im Mund, und bemühte sich, die Augen offenzuhalten.
    Er dachte an das ältere Reihenhaus im Pariser Vorort Drancy, das er abbezahlen mußte, an seine Frau und die drei Kinder. Gut dreihundert Kilometer waren noch zu fahren, der Lastzug befand sich im Moment im Loiretal.
    Janvier donnerte mit Tempo hundertzwanzig die Autobahn entlang. Er hatte das Radio leise gestellt, um Bruton nicht aufzuwecken. Die letzten Kilometer sollte Bruton übernehmen.
    »Ein Scheißjob«, brummte Janvier. »Immer unterwegs, immer in Eile, und ständig meckert der Alte. Daß es auch Pannen und Aufenthalte gibt, weiß der anscheinend nicht. Und die Bezahlung könnte auch besser sein.«
    Janvier trat schon auf die Bremse, noch bevor er die Anhalterin sah. Er konnte nicht wissen, daß er einer Magie unterlag, einem Femzauber, der von einem ungarischen Ort mit Namen Czerkössy ausgestrahlt wurde. Janvier nahm sonst selten jemanden mit, er mochte keine Anhalter. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Bruton, einem Junggesellen, der auf Anhalterinnen scharf war. Sie stritten sich manchmal deswegen.
    Der Dreißigtonner kam kurz vor dem blonden Mädchen mit dem hellen Mantel, der Baskenmütze und dem Koffer zum Stehen. Janvier öffnete auf der Beifahrerseite die Tür, und Nicole Duval kletterte in die Fahrerkabine des Lastwagens.
    Ein Mief nach Zigarettenrauch, Schweiß und ungewaschenen Socken schlug ihr entgegen.
    »Nach Paris«, sagte Nicole und stellte den Koffer ab.
    »Klar, Mädchen, da fahren wir hin«, sagte Janvier und fragte sich, weshalb, zum Teufel, er die Kleine mitgenommen hatte.
    Es war zehn Minuten vor vier Uhr morgens, die Dämmerung begann gerade erst. Und diese Anhalterin hatte um diese Zeit auf der Autobahn gestanden, was ohnehin verboten war.
    Nicole war mit dem Fahrrad von Schloß Montagne zur Autobahn gefahren, die das Loiretal durchkreuzt. Ihr freier Wille war ausgeschaltet, sie fühlte sich wie eine imbeteiligte Beobachterin ihrer selbst. Da waren geheimnisvolle Kräfte, die sie beeinflußten und die ihr Verhalten lenkten.
    Nicole konnte sie nur ahnen.
    Janvier legte den Gang ein und gab Gas. Der Motor brüllte auf, und der Dreißigtonner setzte sich wieder in Bewegung. Nicole zog in der warmen Fahrerkabine ihren Mantel aus und nahm die Mütze ab. Sie ordnete ihr Haar. Unter der schicken Bluse des Mädchens zeichneten sich die üppigen Brüste ab, der Rock war über die Schenkel hochgerutscht.
    Nicole starrte auf das graue Band der Autobahn, auf der nur wenig Verkehr herrschte.
    »Warum bist du denn schon um diese Zeit unterwegs?« fragte Janvier, der seine Neugier nicht länger bezähmen konnte. »Zu Hause Krach gehabt?«
    »Ja.«
    Die einsilbige Antwort befriedigte Janvier nicht.
    »Hör mal, Mädchen, du reißt doch nicht etwa von zu Hause aus? Oder brennst du deinem Alten durch?«
    »Ich bin längst volljährig. Wenn ich nach Paris fahre, ist das meine Angelegenheit.«
    Janvier wurde aus seiner Mitfahrerin nicht schlau. Jetzt mischte sich Bruton ein. Er war erwacht, zog den Vorhang zurück und streckte den kahlen, von einem fettigen Lockenkränzchen umgebenen Kopf aus der Koje.
    »Hallo, hübsche Mademoiselle, einen wunderschönen guten Morgen.«
    »Morgen.«
    Bruton gähnte, reckte sich und hustete. Das blonde Mädchen gefiel ihm, ihr Anblick möbelte ihn auf. So einer Schönheit war Bruton schon lange nicht mehr begegnet. Sie zählte zu einer anderen Klasse als die sonstigen mehr oder weniger vergammelten Anhalterinnen.
    Eine Rassefrau.
    Bruton war Bretone, er trug ständig ein rotes Tuch am Hals, kleidete sich mit billiger Eleganz und hielt sich für einen tollen Mann und großen Casanova. Er richtete seine Kleidung, kämmte sich durch sein Haarkränzchen und stieg aus der Koje herunter.
    Er setzte sich neben Nicole Duval auf den Beifahrersitz und lächelte sie an. Nicole betrachtete ihn gleichgültig. Bruton hatte schlechten Atem und eine große Hakennase, aus deren Löchern schwarze Härchen ragten.
    »Willst du eine Zigarette, Süße? Oder einen Schluck Kaffee?«
    »Nein«.
    »Dann werde ich mich bedienen.«
    Bruton nahm die Thermosflasche und die Brote aus dem Handschuhfach. Nicole lehnte auch ein Schinkenbrot ab. Da frühstückte der Bretone allein. Mit vollen Backen kauend, musterte er Nicole Duval so gierig, als wollte er sie gleich mitverschlingen.
    Die zur Zeit
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