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0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

Titel: 0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Autoren: Franc Helgath
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war der älteste in Kims Sammlung.
    Kim war überhaupt ein sonderbarer Mensch. Er paßte in keine der herkömmlichen Schablonen. Womöglich war er sogar ein Sonderling, aber konnte sie dafür, daß sie sich ausgerechnet in einen Sonderling verliebt hatte?
    Zweifellos - er hatte eine Menge guter Seiten, die Astrid Läla bei ihrem verstorbenen Mann schmerzlich vermißt hatte. Da waren seine großen schönen Hände, mit denen er sie so zärtlich und hingebungsvoll streicheln konnte. Manchmal schämte sie sich der Gefühle, die dabei in ihr aufstiegen. Dann aber schalt sie sich eine Närrin. Kim hatte Saiten in ihr zum Erklingen gebracht, die sie bis dahin nicht einmal erkannt hatte. Er hatte sie zu einem vollkommen neuen Menschen gemacht.
    Ihr verstorbener Mann kam ihr jetzt wie ein Relikt uralter Zeiten vor. Bei ihm hatte die Sexualität nie die große Rolle gespielt. Er war seinem ganzen Wesen nach Puritaner gewesen, der sich vermutlich geschämt hatte, daß diese eheliche Verrichtung überhaupt stattfinden mußte. Als ein notwendiges Übel.
    Gott sei Dank war ihre Ehe kinderlos geblieben. Astrid Läla hätte sich auch kein Kind von ihm gewünscht.
    Doch jetzt wünschte sie sich ein Kind von Kim Lisöjn.
    Wünschte sie das wirklich?
    Seit drei Tagen wirkte ihr Kim so fürchterlich zerfahren und unzufrieden. Er hatte kaum mehr ein freundliches Wort für sie übrig. Es war eine Veränderung mit ihm vorgegangen, und Astrid Läla fragte sich vergeblich, ob das wohl mit seiner derzeitigen Arbeit zusammenhing.
    Sie bereute es von tiefstem Herzen, sich nicht vorher in seine Pläne und Absichten haben einweihen zu lassen. Jetzt war es wohl zu spät dafür.
    Während sie abwusch, sah sie ihn an.
    Sein Zustand gefiel ihr nicht.
    Kim Lisöjn brütete vor sich hin. Die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, den Kopf in den Händen vergraben.
    Sie erinnerte sich daran, daß sie ihn etwas gefragt hatte.
    »Kim! - Soll ich heute nacht nicht lieber bei dir bleiben?«
    Er nahm seinen schmalen Kopf aus den Händen, die er zu einem Becher geformt hatte, um sein Kinn darin aufzunehmen.
    »Hierbleiben? Hier bei mir?« Er machte eine Pause. »Die Leute reden jetzt schon viel zuviel über uns, Astrid.«
    Was macht das noch? dachte sie in einem Anflug von Zorn.
    »Es gibt keinen in Vammala, der nicht über unser Verhältnis Bescheid wüßte«, erwiderte sie bitterer, als sie beabsichtigt hatte. »Die Kinder bis zu fünf Jahren vielleicht ausgenommen.«
    Mit einem Mal wirkte Kim Lisöjn plötzlich alt auf sie. Sie sah Falten in seinem Gesicht, die sie bisher nie wahrgenommen hatte. Deshalb verschluckte sie auch den Rest dessen, was sie noch zu sagen beabsichtigt hatte.
    »Ich kann auch gehen«, sagte sie brüsk.
    Kim Lisöjn zögerte noch mit seiner Antwort. Jede Silbe wollte überlegt sein, denn er war sich schon längst darüber klar, daß er in Astrid Läla die ideale Partnerin für ihr künftiges Leben gefunden hatte. Wenn er jemals jemanden geliebt hatte, dann liebte er Astrid Läla.
    »Warte noch ein wenig«, sagte er, um sich Zeit zu verschaffen.
    »Ich störe doch nur!« meinte sie aufgebracht, und Kim Lisöjn vermeinte, Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen.
    Das wäre jetzt der Augenblick, in dem er hätte aufspringen und sie in seine Arme schließen müssen, doch er blieb auf seinem Stuhl hocken wie festgewachsen. Seine Beine versagten ihm den Dienst. Er konnte sich nur zu einem hilflosen Versuch aufraffen, den Astrid Läla jedoch als Eingeständnis seines Unvermögens zu halten schien, sie aufzufordern, bei ihm zu bleiben.
    Brüsk wandte sie sich ab und verließ wortlos das Zimmer zur winzigen Diele hin, in der sie ihren Pelzmantel sowie ein wollenes Umschlagtuch von den Haken riß, um kurz darauf in der sturmgepeitschten Dunkelheit, die wie ein schwarzer feuchter Kokon das Haus umschloß, zu verschwinden.
    Draußen gefroren ihre Tränen sofort zu Perlen aus Eis.
    Für Sekunden starrte Kim Lisöjn noch auf die Tür, die knallend vor ihm ins Schloß gefallen war, und mit einem Male konnte er sich auch wieder bewegen.
    »Weiber«, knurrte er halblaut und wußte doch, daß er Astrid keine Schuld geben durfte an dem, was vorgefallen war. Er war eben mit den Nerven runter. Die vielen durchwachten Nächte forderten wohl endlich ihren Tribut. Er fühlte sich müde und zerschlagen, und er war wütend auf sich selbst.
    Auf einer Kommode stand eine Flasche mit finnischem Wodka. Er nahm sich nicht erst die Mühe, ein Glas zu holen, sondern
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