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0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

Titel: 0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Autoren: Franc Helgath
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starr vor Schrecken. Auch ihr entfiel die Waffe. Die Axt glitt an ihren Knöcheln vorbei der Erde entgegen. Sie hatte keine Kraft mehr in ihren Fingern.
    Zamorras Amulett begann, in seiner Hand förmlich zu glühen, jagte Hitzestöße durch seinen Arm bis hoch zu den Haarwurzeln, als der Bannstrahl des Grals darüberstreifte. Das rote, gebündelte Licht aus dem Zyklopenauge brannte wie starke UV-Strahlung. Zamorra sah, wie seine Haut verschuppte und sich zu lösen begann.
    Mit einem schnellen Schritt rettete er sich aus dem Strahl und kam neben Nicole zu stehen. Er umfaßte sie, stellte einen körperlichen Kontakt her, damit die Zauberkraft des Medaillons auch sie schützen konnte.
    Denn er spürte es - das Amulett konnte ihnen noch helfen. Es bewahrte sie davor, von diesem Todesgral angesaugt zu werden wie Narkos irdische Reste. Ihre Seele trinken, hatte Narko diesen Vorgang genannt.
    Für einen kurzen Augenblick war Zamorra dem Bannstrahl des Grals entronnen, und er nutzte diese Zeitspanne rigoros. Er floh nicht. Er griff an.
    Ein Satz nach vorne, und der goldene Gral lag zum Greifen nah vor ihm. Zamorra griff nicht danach. Er schleuderte sein Amulett hinein in den Kelch.
    Ein Donnerschlag, grellrote Blitze. Eine gallertige, brodelnde Masse bildete sich im Gral, trat über dessen Ränder und rann verbrannt auf die weiße polierte Steinsäule. Bestialischer Gestank breitete sich aus.
    Der gellende Schrei war nicht mehr mit naturwissenschaftlichen Geräten meßbar. Er ertönte in seinem Gehirn, ließ alle seine Nerven erzittern.
    Bis er abbrach.
    Abrupt.
    Ohne Nachhall.
    Die Wandung des Grals verfärbte sich zuerst purpurn, wurde dunkler und dunkler, wurde nachtschwarz wie der Basalt, auf dem noch Kim Lisöjn mit aufgeschnittener Kehle lag. Dann bröckelte Stück für Stück des Materials, das kein Gold mehr war, ab. Der Todesgral zerfiel, und mit ihm zerfiel der Schädel Narkos zu gelblichweißem Pulver.
    Nur das Amulett blieb auf dem Sockel liegen, der wie Marmor ausgesehen hatte. Zamorra nahm es an sich. Es war eisig kalt.
    Da drehten sich die Wände des Tempels um ihn herum. Wieder dieser Sog, den er schon kannte. Wild kreiselnde Farbschemen, die wirbelnd einen Tunnel formten.
    Diesmal gab er sich diesem Sog willig hin. Er faßte noch nach der Hand Nicoles. Dann verlor er den Boden unter den Füßen und begann zu schweben.
    Irgendwann tat sich im Zeittunnel ein Nebengang auf. Kim Lisöjn wurde daraus hereingestrudelt. Seine klaffende Halswunde schloß sich.
    Raum- und zeitlos trieben sie eine Weile nebeneinander her, bis der Tunnel sich nochmals gabelte. Kim Lisöjn wurde von ihnen abgetrieben.
    ***
    Professor Zamorra streckte und dehnte sich wohlig in seinem breiten Bett. Manchmal liebte er es, bis in den späten Vormittag hineinzuschlafen. Besonders dann, wenn er bis in die Nachtstunden hinein gelesen oder gearbeitet hatte.
    Nicole war schon aufgestanden, doch ihre Betthälfte war zerwühlt und naßgeschwitzt. Sie mußte äußerst unruhig geschlafen haben.
    Zamorra griff nach dem Medaillon, das silbern auf seiner Brust lag und in den Strahlen der Morgensonne glitzerte. Auch er war plötzlich von einer inneren Unruhe erfaßt.
    Hatte er ebenfalls schlecht geträumt?
    Das Amulett wurde warm auf seiner Haut, und er wußte, daß sie nicht geträumt hatten.
    Nicole nicht und er nicht.
    Das Zeitparadoxon…
    Er war wieder auf Château de Montagne. Ein Blick auf die Uhr mit Datumsanzeige.
    Derselbe Tag wie vor drei Tagen.
    Da hörte er auch schon Nicoles unsichere Schritte draußen auf dem Flur. Sie schlurfte müde, und das tat sie sonst nie.
    Zamorra kreuzte die Arme hinter seinem Kopf und wartete, daß die Tür aufging. Vom geöffneten Fenster her strömte der süße, schwere Duft des Tulpenbaums, und die ersten Schmetterlinge taumelten verspielt in den lauen Winden, die den nahenden Sommer ankündigten. Gleich würde Nicole ins Zimmer kommen und ein Frühstückstablett vor sich herbalancieren. Die Klinke ging nieder. Unsicher. Wenn Nicole beide Hände voll hatte, drückte sie mit dem Ellenbogen.
    »Auch schon wach?« fragte sie mit einem schmerzlichen Lächeln um die vollen fraulichen Lippen. Nicole war sonst kein Morgenmuffel. Ganz im Gegenteil. Sie wurde wach und war sofort strahlender Laune.
    Aber heute trug sie tiefe Ränder unter den Augen. Ihre Augen flackerten, als stünden sie noch im Nachklang böser Ängste.
    Zamorra setzte sich im Bett auf.
    »Komm her«, sagte er zärtlich. »Setz dich zu mir. Wir
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