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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger
Autoren: Franc Helgath
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würde Sie nur äußerst ungern erpressen.«
    Kon Siang hatte Vertrauen zu diesem Mann gefaßt, ohne eigentlich zu wissen, warum. Aber er vertraute ihm rückhaltslos jede seiner Beobachtungen an, die sich als so folgenschwer erweisen sollten.
    Bill Fleming versank in immer tieferes Schweigen. Er hatte sich aufs Bett gesetzt und das Gesicht in den gefalteten Händen vergraben. Bei jedem von Kon Siangs Sätzen sanken seine Schultern ein winziges Stück weiter nach vorne. Am Schluß seiner Schilderungen hatte Kon Siang den Eindruck, einem menschlichen Wrack gegenüberzusitzen.
    Doch dieser Eindruck täuschte.
    Plötzlich schoß Bill Fleming aus seiner kauernden Stellung hoch. Ein fanatisches Feuer brannte in seinen Augen.
    »Ich gebe sie noch nicht auf!« schrie er fast und sprühte mit einemmal vor Energie. Kon Siang fühlte sich trotz der späten Stunde beinahe angesteckt. Etwas von dem unerwarteten Elan dieses Mannes sprang als Funke über zu ihm.
    Er wußte es — er würde diesem Bill Fleming helfen. Mit allem, was in seiner Kraft und Macht stand.
    »Sie leben noch«, sagte Bill Fleming gerade, und er kam Kon Siang dabei vor wie einer dieser biblischen Propheten aus dem Alten Testament der Juden. Er hatte die Bibel einmal gelesen, und sie war bebildert gewesen. Mit Kupferstichen.
    So wie dieser Bill Fleming jetzt dastand, gemahnte er ihn an Moses, der vor dem brennenden Dornenbusch steht und mit feurigen Augen Jahve schaut und erkennt.
    »Ich werde sie finden…«
    Kon Siang fand in dieser Nacht keinen Schlaf mehr.
    Immer wieder schreckte ihn das Bild des hageren, fllachsblonden Mannes auf, und obwohl er nur geflüstert hatte, hallten seine Worte wie in einem Dom in seinem Inneren wider:
    »Ich werde sie finden…«
    Ein fahler Morgen kroch durchs Fenster.
    ***
    Oberhalb von Barisal stößt der Dschungel in einem schmalen Streifen bis hart an den Golf. Kanalartige Wasserstraßen lösen sich mit gefährlichen Sümpfen ab, die schon ungezählte Opfer verschluckt haben. Das Innere der wenigen festen Inseln ist unerforscht und einer Wildnis gleich.
    Undurchdringlich.
    Ein Fieberherd.
    Und doch voller Leben.
    Kilakus, den Ibissen verwandte Vögel, trillerten auf gestelzten Beinen ihr Morgenlied, Affen kreischten von den Bäumen und schwangen sich übermütig von Ast zu Ast. Der Dschungel erwachte.
    Aus dem Morgengrauen schälte sich ein Ring von Palmyrapalmen wie eine Insel aus einem hellwogenden silbrigen See. Zwischen den Palmen ein kleiner Tempel, der, aus einem einzigen Stück Fels herausgehauen, ein wahres Wunderwerk altdrawidischer Baukunst darstellte. Die beispiellose Arbeit hinduistischer Frommer. Mochten sie jahrhundertelang den Hymnen der begeisterten Jünger des großen Erlösers gelauscht haben — jetzt diente dieser Tempel dem brahminischen Shivakult. Das weiße Pagodendach überragte noch die Palmwipfel.
    Aus den Wassern stiegen trübe Nebel, schwebten über dem brackig riechenden Sumpf und lösten die Konturen der anderen Ufer. Ein Gemisch von Licht und geheimnisvoller Dämmerung, das sich schwer um die Sinne legt und wie Zauberduft von Jasmin und wilden Holunderdolden die Seele in Träume wiegt.
    Zamorra erhob den Kopf aus dem taunassen Gras. Er fühlte sich zerschlagen und durch den Wolf gedreht. So als würde er nach einer tagelangen pausenlosen Zecherei endlich wieder einmal zu sich kommen. Er wußte weder, wo er war, noch, wie er hierhergelangt sein konnte. Und zum Teufel — es interessierte ihn im Augenblick auch nicht. Wichtig war nur, daß er überhaupt noch lebte.
    Er zwang sich, seine Augenlider zu öffnen. Sie waren schwer wie Blei.
    Der erste Eindruck, den er gewann, war die dumpfig grüne Düsternis und ein Flimmern, das nicht weichen wollte. Er sah noch nicht klar. Die Pupillen wollten sich nicht auf seine Umgebung einstellen. In seinem Kopf summte es wie in einem Bienenstock.
    Er legte sich wieder flach zurück, schloß die Augen und versuchte, sich zu erinnern, wie er in diese Situation geraten sein konnte. Sein Atem ging flach, und sein Herz schlug nur schwach. Er massierte sich die Schläfen, Allmählich fühlte er sich eine Spur besser.
    Das war auch der Moment, in dem Nicole ihm wieder einfiel. Und der Schwindelanfall, der ihn im Flugzeug erfaßt hatte. Waren sie abgestürzt?
    Unfug!
    Ein Flugzeugabsturz aus dieser Höhe ließ sich nicht überleben. Schon dreißig Meter wären dreißig Meter zuviel gewesen. Und sie hatten sich seiner Schätzung nach mindestens tausend Meter hoch
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