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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger
Autoren: Franc Helgath
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über das Wechselspiel der verschiedenartigsten Nuancen. Nicole wechselte ihre Augenfarbe wie ein Chamäleon die Haut. Sie ging ins Grünliche, wenn sie kapriziös und aufgekratzt war, konnte ihre Wut verraten, wenn sie beinahe rot wurden. Und sie wurden ganz gelb und hell, wenn Nicole in Panik geriet.
    Jetzt waren sie von einem ausdruckslosen Grau, in das sich nur allmählich etwas Buntheit schlich.
    Zamorra richtete den Oberkörper Nicoles auf und legte sacht den Kopf an seine breite Schulter. Er fuhr ihr mit den Fingern über das rote Haar. Diese Geste sollte beruhigend wirken, und auch ihm tat sie gut. Er fühlte seine Wärme auf sie überfließen.
    »Es ist alles gut, Nicole«, hörte er sich sagen und lauschte dem Klang der eigenen Stimme nach. Sie klang ungewohnt und fremd in dieser Umgebung, in dieser unmöglichen Situation.
    Plötzlich fuhren Nicoles Hände hoch, umklammerten seinen Hals, suchten Halt an ihm.
    »Oh, Chef…«
    »Es hat uns irgendwie in einen Sumpf verschlagen«, sagte er leise und dicht an ihrem Ohr. »Stell jetzt keine Fragen, Nicole. Wie das geschehen konnte, weiß ich auch noch nicht. Aber wenn ich mich nicht täusche, befinden wir uns irgendwo im Gangesdelta. Die ganze Flora ist typisch dafür. Palmyrapalmen wachsen nur in Sumpfgebieten und in Gebieten, in denen sich See- mit Süßwasser mischt.«
    Er unterbrach seine Erklärung, weil er sich bewußt wurde, daß er eigentlich nichts erklärte. Nicole hatte auch gar nicht richtig zugehört. Sie schmiegte sich an seine Brust und war schon beruhigt, wenn sie ihn nur sprechen hörte.
    Zamorra erinnerte sich, wie lange er gebraucht hatte, um voll ins Bewußtsein zurückzufinden, auch wenn ihm ansonsten jeglicher Zeitbegriff abhanden gekommen war. Er mußte Geduld mit Nicole haben, die sich wie ein schnurrendes Kätzchen an ihn schmiegte und Zuflucht bei ihm suchte. Sie würde länger brauchen als er, um die Gegenwart wiederzufinden.
    Der Boden unter ihnen wankte. Sie durften sich nicht setzen. Ihrer beider Gewicht drückte bereits eine tiefe Delle in das grasige, moosige Polster unter ihnen, das sich sichtlich mit Pfützen füllte. Sie waren tatsächlich auf einer schwimmenden Insel. Zamorra hörte die schmatzenden Laute gurgelnden Wassers.
    Seine freie Hand griff wie automatisch unter das Hemd, wo er sein Amulett wußte.
    Es war da, und es fühlte sich ganz normal an.
    ***
    Bill Fleming war überzeugt, nicht mehr als eine Stunde geschlafen zu haben. Ein Blick auf seine Armbanduhr, die er auf den Nachttisch gelegt hatte, bestätigte seine Vermutung.
    Kurz nach sechs.
    Beinahe schmerzhaft machten sich die Erinnerungen der letzten Nacht in seinem Bewußtsein Platz, vertrieben alles andere, auch den schlechten Geschmack von seinem Gaumen.
    Er schlug die Bettdecke unwillig von sich. Unwillig deshalb, weil er überhaupt Schlaf gefunden hatte, während sein Freund Zamorra und Nicole vermutlich in den dicksten Schwierigkeiten steckten, die man sich nur ausmalen konnte.
    An Bill Fleming nagte das schlechte Gewissen. Gleichzeitig schalt er sich einen Narren. Was hätte er, hier von Chittagong aus, schon für sie unternehmen können?
    Trotzdem schlüpfte er hastig in seine Kleider. Er kannte die Zimmernummer Kon Siangs. Der Siamese war schneller an der Tür, als er erwartet hatte, und öffnete mit einem entsagungsvollen Grinsen.
    »Ich konnte auch kaum schlafen«, sagte er und wies höflich ins Innere seines Zimmers. Eine Sitzgruppe lud zum Platznehmen ein. Bill Fleming blieb stehen.
    »Die Koordinaten«, meinte er. »Ich brauche die genauen Koordinaten, wo diese verdammte Geschichte passiert ist.«
    »Ich habe sie schon erwähnt.«
    »Ich brauche die ganz genauen. Haben Sie nicht eine Karte hier, wo Sie mir die Stelle zeigen könnten?«
    Kon Siang schien sich noch gar nicht ausgekleidet zu haben. Er hatte nur etwas Whisky getrunken und auf den Vorrat an Eis zurückgegriffen. Sein Magen war offensichtlich robuster als der Bill Flemings, soweit er Wasser aus Bangladesh verarbeiten mußte.
    Der Flugkapitän nickte.
    Er kramte in einem schwarzen Samsonite-Koffer herum und hatte bald darauf eine Karte auf dem breiten Bett entfaltet. Sie brauchten das Zimmerlicht nicht mehr, um sie zu lesen. Draußen war es inzwischen hell genug geworden.
    Kon Siangs Finger beschrieb einen engen Kreis um eine Ortschaft, die auf der Karte als Barisal vermerkt war. Sic lag links vom Mündungsarm, den man Beghna nannte. Inmitten eines ausgedehnten Inselgebietes.
    »Die Karten
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