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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger
Autoren: Franc Helgath
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anzunehmen begannen.
    Zamorra zuckte mit den Schultern. Nur zu gerne hätte er eine Antwort gegeben, und das, was er befürchtete, sprach er nicht aus.
    Die geheimnisvolle Macht hatte sie nicht ohne Grund aus dem Rumpf der Boeing geholt. Irgendwann würden sie wieder mit ihr konfrontiert werden. Zamorra konnte nicht behaupten, daß er diesen Augenblick herbeisehnte. Und doch würde er kommen. So sicher, wie die nächste Nacht kam.
    »Warten wir’s ab«, meinte er schließlich. »Irgendwann werden wir schon an festes Land treiben, und dann sehen wir weiter.«
    Nicole war nicht glücklich über diese Antwort. Das konnte man ihr ansehen. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine steile, V-förmige Falte gebildet wie immer, wenn Nicole ihr Köpfchen heftig anstrengte.
    »Sollten wir nicht besser versuchen, an die Pagode heranzukommen? Man sieht sie kaum noch. Diese Dinger werden doch nicht einfach mitten in die Prärie gestellt. Ich nehme an, daß Tempel dazu da sind, besucht zu werden. Dann müßten wir jedoch auch auf Menschen stoßen. Außerdem ist dort hinten festes Land. Wenn das so weitergeht, werde ich noch seekrank.«
    Nicole übertrieb leicht, doch die schwimmende Insel nahm in der Tat immer mehr die Funktion eines Trampolins an. Eines Trampolins jedoch, bei dem man nicht wußte, wann es unter einem Schritt zerreißen würde. »Und die Schlangen können genausogut uns besuchen kommen«, fügte sie trotzig hinzu.
    Was sie vorbrachte, klang logisch. Zamorra hatte auch schon dran gedacht. Doch mittlerweile war die Strecke zum Schwimmen für Nicole zu weit geworden. Außerdem konnte man nie wissen, wie es unter der spiegelnden Wasseroberfläche aussah. Dort konnten sich nicht nur Schlangen oder andere Tiere befinden, sondern auch Algenranken, ein Schlammbett. Das Risiko war ihm einfach zu groß. Er wartete ab, weil von selbst etwas geschehen mußte. Ihre Anwesenheit hier mußte ihren Grund haben. Mit Sicherheit hatte ihm dieser dämonische Zauber nicht allein zu einer Floßfahrt durchs Gangesdelta verhelfen wollen.
    Es wurde zehn Uhr vormittags, und Teile der Insel lösten sich schon ah. Sie drohte in der Mitte auseinanderzubrechen. Zamorra und Nicole legten sich flach und mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf die Moospolster. Die Sonne trank ihnen das Wasser aus dem Leib.
    Besonders Nicole hatte darunter zu leiden. Für einen Ausflug dieser Art war sie entschieden falsch gekleidet. Ein cremefarbener Faltenrock, der keine Falten mehr hatte, und eine ärmellose Bluse aus schillerndem Luran. Die Haut an ihren weißen Armen schälte sich bereits. Seit ihrem Erwachen waren mehr als fünf Stunden vergangen. Die Insel drehte sich träge. Nicole stöhnte, als sie es sich einmal bequemer machen wollte.
    »Kann man das Wasser wirklich nicht trinken, Chef?«
    »Kann man schon«, antwortete Zamorra darauf. »Aber du würdest mit großer Wahrscheinlichkeit die Cholera davon bekommen.«
    Nicole seufzte ein weiteres Mal und wandte den Kopf wieder zur anderen Seite.
    Plötzlich stieß sie einen spitzen Schrei aus und kam etwas hoch. Sie streckte einen Arm aus und brach mit dem anderen prompt durch. Ihr Gesicht patschte in die Nässe.
    Doch jetzt sah auch Professor Zamorra das schmale Boot, das aus einem überhängenden Walddach von der Seite auf sie zugeglitten kam. Seine Augen wurden zu Schlitzen.
    Eine Art Einbaum kam auf sie zu. Im Heck saß eine dicke alte Frau. Sie füllte die ganze Breite des Boots aus und stach mit einem Paddel neben sich ins Wasser. Einzelheiten konnte er noch nicht erkennen, aber sie wollte zweifelsfrei zu ihnen.
    »Bleib ganz flach liegen«, riet Zamorra. »Unser Floß macht es nicht mehr lange. Die Dame kommt genau im rechten Augenblick.«
    »Dame?«
    »Siehst du das denn nicht? Wenn sie einen Büstenhalter tragen würde, könnten wir darunter glatt übernachten.«
    »Tatsächlich. Ich habe noch nie eine so dicke Frau gesehen.«
    Sie sprachen französisch miteinander. Es bestand keine Gefahr, daß die Alte sie verstand. Trotzdem war es Zamorra nicht mehr wohl. Oder anders gesagt, ihm wurde noch wesentlich weniger wohl als vorher. Das, was er erwartet hatte, begann einzutreffen oder sich zumindest anzubahnen.
    Er konzentrierte sich auf sein Amulett. Wenn die Alte kein Wesen aus Fleisch und Blut war, dann hätte das magische Silber sich jetzt bemerkbar gemacht. Es hätte auf der Haut gebrannt, ihm die Haare auf der Brust versengt oder wenigstens irrlichternd aufgeschimmert.
    Doch das Amulett des
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