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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott
Autoren: Hans Wolf Sommer
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dann an ihre Brust.
    Henry Birch hatte in der Zwischenzeit kein Auge von der Schlange gelassen. Das schleimige Tier hatte sich unmittelbar vor Bishop in die Höhe gereckt, züngelte gierig.
    Was ist das für ein Untier?, schoss es Birch durch den Kopf. Eine Klapperschlange? Nein, wohl nicht. Die typischen Ringe fehlten. Diese eigenartige Zeichnung am Hals… Teufel, war das etwa eine Kobra? Aber die gab es doch nur in Asien, Indien oder da in der Gegend.
    Der winzige Kopf auf dem scheibenförmig ausgebreiteten Hals der Schlange zuckte herum. Unsagbar tückische, kalte Augen richteten sich auf Henry Birch.
    Und dann, von Sekundenbruchteil zu Sekundenbruchteil, war das Reptil verschwunden, so als habe sich der Boden unter ihm aufgetan und es verschluckt. Wenn nicht der leere Vogelbauer gewesen wäre, dessen Gittertürchen offen stand, hätte Birch vielleicht an eine Halluzination geglaubt. So jedoch…
    Fassungslos starrten alle Anwesenden auf den Teppich.
    »Das… das gibt es doch gar nicht«, stammelte Sarah Hubble, die Krankenschwester. In der Aufregung war ihr die Brille runtergefallen, aber das hatte sie wahrscheinlich noch gar nicht gemerkt.
    Doktor Bishop wischte sich den Schweiß vom Gesicht, Angstschweiß vermutlich.
    Henry Birch sah ihn an.
    Und stutzte plötzlich.
    Irgend etwas an Bishop hatte sich verändert. Birch kniff die Augen zusammen, musterte den Arzt scharf. Und dann wusste er es. Die roten Pusteln, die Bishops Gesicht verunziert hatten, waren nicht mehr da.
    »Stewart«, rief er überrascht aus, »Ihr Gesicht!«
    »Mein Gesicht?«, echote der Arzt. »Was ist denn…«
    Die Krankenschwester schaltete sich ein. »Ja«, rief sie aus. »Mister Birch hat recht. Keine Spur mehr von ihrer Hautkrankheit!«
    »Wie?« Bishop blickte ungläubig. »Sie können das doch gar nicht erkennen, Sarah. Ohne Ihre Brille sind Sie doch so blind wie ein Maulwurf.«
    »Aber ich…« Die Krankenschwester unterbrach, sich, schüttelte ruckartig den Kopf, rieb sich mit dem Handrücken über die Augen, »Ich kann sehen!«, brach es dann aus ihr hervor. »Ich kann phantastisch sehen. Besser als mit der Brille!«
    Stewart Bishop schob mit einer hastigen Bewegung seinen linken Ärmel hoch und starrte seinen Unterarm an, »Tatsächlich!«, murmelte er unverständig.
    Und dann kam die größte Sensation. Henry Birch wurde als erster aufmerksam. Er hörte plötzlich einen leichten Aufschrei seiner Frau. Sofort wirbelte er herum.
    Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Sie, die seit einem halben Jahr nicht mehr in der Lage gewesen war, auch nur den kleinen Zeh zu bewegen, kniete im Bett!
    »Catherine!«
    Seine Frau, das Neugeborene an die Brust gedrückt, ließ sich nach hinten sinken.
    Und dann hob sie beide Beine in die Luft und strampelte!
    »Ich kann sie bewegen! Ich kann sie wieder bewegen!«, rief sie mit einer Stimme, in der sich Glück, Triumph und absolute Verblüffung mischten.
    Doktor Bishop besann sich auf seine ärztlichen Pflichten. »Miss Birch«, sagte er. »Vergessen Sie nicht, dass Sie gerade ein Kind geboren haben.«
    Aber das sagte er mehr oder weniger nur pro forma. Das Unglaubliche hatte ihn, wie die anderen auch, völlig in den Bann geschlagen. Eine hartnäckige Hautkrankheit, die verschwunden war, als hätte es sie nie gegeben. Schwere Kurzsichtigkeit, die sich in erstaunliche Sehstärke verwandelt hatte. Unheilbare Multiple Sklerose, die sich allen medizinischen Erfahrungen zum Trotz doch als heilbar erwiesen hatte. Darüber geriet das rätselhafte Auftauchen und Verschwinden einer asiatischen Brillenschlange fast ins Vergessen.
    Sarah Hubble drückte aus, was die anderen ebenfalls dachten. Sie machte ein Kreuzzeichen und sagte beinahe feierlich: »Ein Wunder ist geschehen!«
    Der Säugling in Catherine Birchs Armen, der sich in den letzten Minuten ganz still verhalten hatte, begann wieder zu schreien.
    ***
    Achtzehn Jahre später…
    Die DC 8 der Western Airways war vor wenigen Minuten auf dem New Yorker Flughafen La Guardia gestartet, um nach Washington zu fliegen. Die Maschine hatte ihre vorgeschriebene Flughöhe von 25.000 Fuß bereits erreicht. Es herrschte hervorragendes Flugwetter. Keine unangenehme Wolkenbildung, keine Turbulenzen. Auch für die weitere Route hatte der Wetterbericht nur Gutes zu melden gehabt.
    »Wird ’ne ruhige Kiste werden«, sagte der Pilot Milt Weismann, als er auf automatische Steuerung umschaltete.
    »Hoffen wir es«, kommentierte Lewis Stanton, der Copilot. »Mein
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