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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott
Autoren: Hans Wolf Sommer
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den Plattenspieler aus, auf dem sich nervtötend Ravels nicht enden wollender Bolero drehte. Anschließend hämmerte er die Nummer des Arztes auf die Tastatur. Die Privatnummer, denn er ging davon aus, dass Bishop um neun Uhr abends nicht mehr in seiner Klinik war.
    Eine Frauenstimme meldete sich. »Bei Doktor Bishop!«
    »Den Doktor, bitte!«, bellte Birch.
    »Der Doktor ist nicht im Hause. Versuchen Sie es in der Klinik. Morgen!«
    Birch schäumte. »Sie!«, brüllte er in die Muschel. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich will Ihnen sagen, wer ich bin. Ich bin Henry K. Birch. Und wenn Sie mir jetzt nicht sofort sagen, wo ich diesen Quacksalber finde, dann werden Sie mich in spätestens einer halben Stunde persönlich kennen lernen!«
    Lautstärke und Tonfall taten ihren Dienst. Das Mädchen am anderen Ende der Leitung, Sekretärin oder Dienstbolzen, teilte ihm mit, dass Bishop zu einer Abendgesellschaft eingeladen war, und nannte ihm auch die Nummer des Gastgebers.
    Birch wählte erneut. Wieder wollte man ihn abwimmeln. Nachdem er aber versprochen hatte, aus der Abendgesellschaft eine Trauergesellschaft zu machen, bekam er Bishop an den Apparat.
    »Ich bin immer für Sie da, was?«, schnauzte Birch.
    »Regen Sie sich nicht auf, Henry«, sagte Bishop beruhigend »Wo drückt der Schuh?«
    »Der Schuh? Was ganz anderes drückt! Catherine bekommt ihr Kind!«
    Der Doktor war verblüfft. »Sind Sie sicher, Henry?«, fragte er zweifelnd.
    In diesem Augenblick stöhnte Catherine laut und gequält auf.
    »Haben Sie es gehört?«, fragte Birch mit überschnappender Stimme.
    »Ja, ich habe es gehört. Komme sofort!« Bishop unterbrach die Verbindung.
    Birch legte den Hörer auf die Gabel zurück und beugte sich über seine Frau. Ihr Gesicht war schweißnass geworden, und in den Augen wohnte der Schmerz. Wieder bäumte sie sich auf. Wehen - daran konnte gar kein Zweifel bestehen!
    »Ganz ruhig, Liebes«, sagte Birch und wischte seiner Frau mit einem Taschentuch die feuchte Stirn ab: »Doktor Bishop wird gleich hier sein.«
    Sie zwang sich zu einem matten Lächeln. »Henry, tu mir einen Gefallen. Mach das Fenster ein bisschen auf.«
    Der Gedanke gefiel Henry Birch gar nicht. Es war Mitte November, und draußen herrschten Temperaturen, die nur knapp über dem Nullpunkt lagen.
    »Du wirst dich erkälten, Liebes«, gab er zu bedenken.
    »Nur für ein paar Minuten«, beharrte Catherine. »Hier ist es so stickig.«
    Achselzuckend ging Birch zu einem der beiden großen Flügelfenster und öffnete es handbreit. Sofort bauschte sich die Gardine, als der kalte Herbstwind durch den Spalt fuhr. Sekundenlang blickte Birch hinaus in den Garten seiner Villa. Unwirtliches Wetter, das konnte man wohl sagen. Ein leichter Nieselregen ging nieder, und die Bäume und Sträucher schwankten vom Wind geschüttelt.
    Plötzlich hatte Birch das Gefühl, als sei etwas an ihm vorbeigehuscht - ins Zimmer hinein. Stirnrunzelnd drehte er dem Fenster den Rücken zu und blickte sich im Raum um. Er sah jedoch nichts.
    Na, so was, sagte er zu sich selbst. Er hätte schwören mögen… Aber wahrscheinlich war es wohl nur eine optische Täuschung gewesen. War ja auch lächerlich! Wo sollte denn hier eine Schlange herkommen? Mitten in New York und bei diesen Witterungs Verhältnissen? Ein absurder Gedanke.
    Er wartete zwei Minuten und schloss das Fenster dann wieder. Der Zug tat Catherine ganz bestimmt nicht gut. Er ging zum Bett zurück, setzte sich wieder in den Sessel und hielt die Hand seiner Frau. Es zerschnitt ihm das Herz, als er sah, wie sie litt.
    Wo, zur Hölle, blieb eigentlich dieser verdammte Quacksalber?
    Nicht viel später kam Doktor Bishop dann. Dorothy, das Hausmädchen, hatte ihn in die Villa gelassen und brachte ihn ins Schlafzimmer.
    Bishop war nicht allein gekommen. Eine junge Frau, pummelig und mit dickglasiger Brille, befand sich bei ihm. Er stellte sie als Sarah Hubble vor, eine Krankenschwester aus der Klinik.
    Arzt und Schwester kümmerten sich sofort um Catherine. Bishop sah sehr nachdenklich aus, als er Birch kurz darauf anblickte.
    »Sie haben recht gehabt, Henry. Das Kind kommt. Sie haben mich gerade noch rechtzeitig gerufen.«
    Birch verzog das Gesicht. »Sagten Sie nicht heute Nachmittag, dass frühestens in einer Woche…«
    »Ja, das habe ich gesagt«, nickte Bishop. »Ich verstehe es auch nicht ganz, aber… Naja, die Natur geht manchmal eigenartige Wege. Sie sollten jetzt hinausgehen, Henry.«
    »Es wäre mir lieber, wenn
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