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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott
Autoren: Hans Wolf Sommer
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»Sie müssen diesen Flug abbrechen. Sofort! Kehren Sie zurück nach New York!«
    Ah, dachte der Pilot, einer von dieser Sorte. Einer von den Verrückten.
    »Warum?«, fragte er spöttisch. »Haben Sie einen Koffer oder so was stehen lassen?«
    »Es geht nicht um mich«, sagte der Bursche, der sich als Edgar Birch vorgestellt hatte. »Es geht um uns alle. Diese Maschine wird in einer halben Stunde abstürzen!«
    »Was Sie nicht sagen!«
    »Ich meine es ernst, Kapitän!«
    Ja, er meinte es ernst, dieser junge Mann. Weismann war Menschenkenner. Ein Verrückter, zweifellos. Aber vielleicht war er nicht so harmlos, wie er aussah. Gerade die Harmlosesten waren manchmal die Gefährlichsten. Ein ganz bestimmter Verdacht kam ihm. Er kniff die Augen zusammen.
    »Warum sollte die Maschine abstürzen? Haben Sie eine Bombe in Ihrem Gepäck versteckt?«
    »Nein, nein«, sagte der junge Bursche heftig, »das ist es nicht. Eine Tragfläche wird abbrechen und dann…« Er sprach nicht weiter, machte nur eine Geste der Hilflosigkeit.
    Innerlich stöhnte Milt Weismann auf. Eine Tragfläche würde also abbrechen, so, so. Er versuchte es mit der Vernunft.
    »Sehen Sie, Mister Birch«, sagte er und wies durch die gekrümmte Frontscheibe nach draußen, »Wir haben ideale Wettervoraussetzungen. Der Himmel ist ruhiger als ein Binnensee bei totaler Windflaute. Es kann keine Tragfläche abbrechen, verstehen Sie?«
    »Doch!«, beharrte Birch auf seinem Schwachsinn. »Diese da wird abbrechen!« Er machte eine Daumenbewegung nach rechts. »Kehren Sie um, bevor es zu spät ist!«
    »Und woher wollen Sie das wissen, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Weismann gepresst. Er merkte, dass er im Begriff war, die Geduld zu verlieren.
    »Ich kann Ihnen das nicht erklären«, sagte Birch hektisch. »Ich… ich sehe es! Ich sehe es deutlich vor mir!« Er schloss die Augen, und sein Gesicht nahm eine maskenhafte Starre an. Sein Körper zitterte.
    Fehlt nur noch, dass er einen epileptischen Anfall bekommt, dachte Weismann. Wenn er sich nicht irrte, dann gingen solche Anfälle Hand in Hand mit Wahnvorstellungen, wie sie dieser Knabe ja wohl eindeutig hatte. Seine Geduld war erschöpft.
    »Verschwinden Sie, Mister«, sagte er grob. »Das Cockpit einer großen Verkehrsmaschine ist nicht der richtige Schauplatz für Schmierenkomödien.«
    Er wandte sich ab und beugte sich ostentativ über seine Kontrollen.
    Aber er hatte die Rechnung ohne den jungen Burschen gemacht. Der trat mit zwei, drei schnellen Schritten von hinten an ihn heran und packte ihn an der Schulter.
    »Kapitän, Sie müssen…«
    Der Copilot, der sich bisher zurückgehalten hatte, schaltete sich ein. Er schwang sich aus seinem Sessel hoch und griff nach dem Verrückten.
    »Schluss jetzt, Sonny!«, bellte er. »Du hast gehört, was der Kapitän gesagt hat!«
    Der Junge reagierte heftig. Er gab Stanton einen Stoß, der diesen fast in den Sessel zurück torpedierte.
    Die Stewardess schlug die Hand vor den Mund und gab einen kleinen Schrei von sich.
    »Ich will nicht sterben!«, stieß Birch hervor. »Hören Sie? Ich will nicht sterben! Kehren Sie um. In ein paar Minuten ist es zu spät!«
    Lewis Stanton handelte. Seine rechte Hand flog wieder unter die Uniformjacke, ging zum Schulterholster und zog die automatische Pistole hervor. In Sekundenbruchteilen hatte er die Waffe entsichert und auf den Eindringling angelegt.
    »Hände hoch, Sonny!«
    Birch ruckte herum, starrte den Copiloten an. Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn. Aber er machte keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten. Im Gegenteil! Er machte einen Schritt auf Stanton zu.
    »Halt!«, donnerte dieser. »Mach dich nicht unglücklich, Sonny. Zwing mich nicht zu Dingen, die ich eigentlich nicht tun möchte!«
    Mutig trat Patsy Moreno an den Verrückten heran. »Kommen Sie, Mister Birch«, sagte sie gleichzeitig beschwörend und beschwichtigend. »Trinken Sie einen Whisky und genießen Sie den Flug, okay?«
    Birch beachtete sie gar nicht. Reglos stand er jetzt da, ganz steif. Kein Muskel bewegte sich an seinem Körper oder in seinem Gesicht.
    Ist das das erste Stadium eines Anfalls?, fragte sich Milt Weismann.
    Er hatte keine Angst vor dem Burschen, denn erstens schien er unbewaffnet zu sein, und zweitens machte er körperlich einen eher schwächlichen Eindruck. Die ganze Angelegenheit war mehr lästig als gefährlich. Glaubte der Pilot!
    Dann aber wurde er ganz schnell anderer Meinung.
    Er sah, wie plötzlich ein
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