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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott
Autoren: Hans Wolf Sommer
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eigentümlicher Ausdruck in die Augen des jungen Mannes trat. Der Blick wurde trübe, entrückt, schien ganz in die Ferne gerichtet zu sein.
    Und dann geschah etwas Verrücktes, etwas ganz Erstaunliches. Lewis Stanton versteinerte ebenfalls. Er kam Weismann auf einmal vor wie eine Puppe aus der Spielkiste seiner Tochter. Ruckartig, so als würde eine unsichtbare Hand daran ziehen, streckte er den Arm aus und… hielt Edgar Birch seine Automatic hin wie eine Opfergabe. Der junge Bursche ließ sich nicht lange bitten und nahm sie entgegen.
    »Lew, was zur Hölle tust du da?«, entrüstete sich der Pilot voller Verwunderung.
    Dann war es an ihm, sich über sich selbst zu wundern.
    »Zurück!«, explodierte eine Stimme in seinem Bewusstsein. »Zurück nach New York.«
    Mit Entsetzen sah er, wie sich der Autopilot ganz von selbst ausschaltete. Sofort begann die schwere Maschine zu schwanken. Hastig griff er nach der Steuersäule und stabilisierte die Flugbahn wieder.
    »Wenden!«, kam die lautlose Stimme erneut.
    Die Furcht griff mit tastenden Fingern nach Milt Weismann. Was, zur Hölle, ging hier vor?
    Er warf einen schnellen Seitenblick auf den Eindringling. Der stand wieder ganz hölzern da und hatte immer noch diesen geistesabwesenden Ausdruck in den Augen. Trotzdem war sich Weismann ganz sicher, dass der Kerl hier irgendwie an den Drähten zog.
    Was machten Lew und Patsy? Nichts machten sie, standen beziehungsweise saßen herum wie die Ölgötzen.
    »Wenden!«
    Nein, dachte der Pilot, ich werde nicht wenden!
    Aber er konnte diese Absicht nicht verwirklichen. Ganz plötzlich war ihm so, als würde er aus seinem eigenen Bewusstsein gedrängt. Er spürte seinen Körper, seine Arme und Beine nicht mehr. Er schien neben sich selbst zu stehen, nicht fähig zu handeln. Nur beobachten konnte er.
    Er beobachtete, wie seine Hände die Triebwerkhebel nach hinten zogen, beobachtete, wie sie ein Wendemanöver einleiteten.
    Wenig später knackte es im Funkgerät. Die Flugsicherungszentrale New York, die die Maschine noch auf ihren Kontrollschirmen hatte, meldete sich: »New York ruft Flug zwei eins sieben. Zwei eins sieben melden!«
    Milt Weismann beobachtete sich dabei, wie er auf Senden schaltete. Und er hörte sich sagen; »Zwei eins sieben an New York Control. Ich höre Sie.«
    Er schaltete wieder auf Empfang, mit denselben marionettenartigen Bewegungen, mit denen Lew Stanton kurz zuvor seine Automatic abgegeben hatte.
    »New York Control an zwei eins sieben«, kam es aus dem Lautsprecher. »Sie sind im Begriff, den vorgeschriebenen Flugkorridor zu verlassen. Korrigieren Sie! Hier sind Ihre richtigen Daten…«
    Die Hand des Piloten unterbrach die Flugsicherung, indem sie von Empfang wieder auf Senden schaltete.
    »Zwei eins sieben an New York Control«, sagte seine Stimme. »Habe Defekt und komme zurück. Erbitte sofortige Freimachung einer Landebahn und Übermittlung entsprechender Daten!«
    Die DC 8 nahm Kurs auf New York.
    ***
    Die Sonne war über Château Montagne aufgegangen und tauchte das romantische Schloss im Loiretal in blassrötliches Licht. Über den Wäldern und Wiesen, die das Château von allen Seiten umgaben, hingen noch die letzten zerrissenen Schwaden der kühlen Morgennebel.
    Professor Zamorra und seine bildhübsche, grazile Sekretärin und Freundin Nicole Duval saßen auf einem der winkligen Balkone des Schlosses. Sie genossen die Ruhe und den Frieden, die sich rings um sie ausbreiteten. Die letzten Wochen waren hart gewesen, denn der Professor hatte mit Sustra einen besonders gefährlichen Dämon jagen müssen. Es tat ihnen beiden gut, wieder zu Hause zu sein.
    Der alte Diener Raffael Bois, der gute Geist von Château Montagne, kam und brachte das Frühstück auf einem großen Tablett. Toast, Lachsschinken, Ei, hausgemachte Brombeermarmelade unten aus dem Dorf, Tee mit Sahne. Auch die Morgenzeitungen fehlten nicht.
    »Ich habe mir erlaubt, schon einmal in die Zeitungen hineinzublicken«, sagte Raffael, während er den Tisch deckte. »Le Monde bringt auf Seite zwölf einen Artikel, der Sie sehr interessieren dürfte, Herr Professor.«
    Zamorra lächelte. Die Perfektion des Butlers war manchmal beängstigend.
    »Danke, Raffael«, antwortete er mit einem ganz leichten ironischen Unterton. »Dann kann ich es mir ja sparen, den ganzen anderen überflüssigen Kram zu lesen.«
    »So ist es«, sagte Raffael ernst. »Das Zeitungslesen macht ohnehin keinen Spaß mehr, Gräuel in Afrika, Terroristen in Europa,
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