Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0079 - Das Gespensterschiff

0079 - Das Gespensterschiff

Titel: 0079 - Das Gespensterschiff
Autoren: Franc Helgath
Vom Netzwerk:
Sie hatte sich inzwischen einen Südwester übergezogen und war in eine Hose geschlüpft. Sie sah Bill nicht nach. Sie schaute wieder aufs Meer hinaus.
    Dieses rasende Monstrum war noch näher gekommen. Segel blähten sich in einem Wind, der nicht wehte…
    ***
    Bill Fleming hangelte sich am Handlauf vor zum Steuerhaus und kletterte die paar Stahltreppen hinauf zum offenen Eingang.
    Der Kapitän, ein Mann in den Vierzigern, schaute ihm entgegen.
    »Unter Deck!« brüllte er, noch ehe Bill etwas sagen konnte. Bill bekam mit, wie der Funker immer wieder ein Wort in das Mikrofon wiederholte.
    »Mayday, Mayday, Mayday…«
    Das Notrufsignal. Dann gab er ihre Position durch, um sofort wieder mit diesem entnervenden »Mayday« zu beginnen.
    Bill ließ sich nicht abwimmeln.
    »Was ist los hier?« brüllte er genauso lautstark zurück. »Wir alle haben ein Recht darauf, zu erfahren, was sich hier abspielt.«
    Der Kapitän der Yacht bemerkte wohl, daß er es mit einem Passagier zu tun hatte, der nicht locker lassen würde.
    »Dann kommen Sie eben«, meinte er. »Jetzt ist schon alles egal.«
    Im Steuerhaus klappte die Verständigung besser.
    »Mayday, Mayday«, sagte der Funker abgehackt in die Sprechmuschel. Von seiner Stirn troff der Schweiß in Strömen. Er war Mulatte, und doch hatte seine braune Haut eine aschgraue Färbung angenommen.
    »Was ist egal?« fragte Bill stur, und der grauhaarige Kapitän brauste jäh auf.
    »Sie haben doch selbst Augen im Kopf! Sehen Sie nach hinten!«
    Bill drehte sich um und erschrak bis ins Mark.
    In den wenigen Sekunden, die er gebraucht hatte, um das Steuerhaus zu erreichen, hatte der Schoner ungeheuer aufgeholt. Bill konnte schon Einzelheiten erkennen, und was er sah, gefiel ihm gar nicht!
    Das Schiff, das sie verfolgte, mußte schon ungeheuer alt sein. In dem Zustand, in dem es sich befand, hätte es sinken müssen wie ein Stein. Wie Spinnweben hing die Takelage von Masten zu Wanten, und die Segel hatten riesige Löcher.
    Schoner dieser Bauart, mit dem schlanken Rumpf und den vier gegeneinanderversetzten Focksegeln, wurden zuletzt vor rund dreihundert Jahren in England gebaut. Es waren schnelle, wendige Jagdclipper, mit denen die Freibeuter der Königin Spanien und Holland und auch den Franzosen das Fürchten lehrten. Mit drei, vier Schiffen dieser Art konnte man auch eine der riesigen spanischen Galeonen kapern, und das hatten die Engländer ja weidlich bewiesen.
    Piratenschiffe, auf Werft gelegt, um später Hecht im Karpfenteich zu sein.
    Und der Schoner rückte immer näher, obwohl die SEA-BELL bestimmt ihre fünfundzwanzig Knoten über Grund machte.
    »Wahnsinn…«, stöhnte Bill Fleming. »Das gibt es nicht…«
    »Darf es auch nicht geben, in Dreiteufelsnamen«, donnerte hinter ihm der Kapitän, während der Funker sein »Mayday« herunterhaspelte. »Ich hab’s immer nur für ein dummes Geschwätz gehalten, dieses Gerede von der CARIBBEAN QUEEN. Jeder vernünftige Mann hat das für miserabel gesponnenes Seemannsgarn gehalten. Ein Geisterschiff!«
    Der Kapitän lachte auf, doch sein Lachen hatte etwas Hektisches, Schreckhaftes an sich.
    »Und das muß ausgerechnet uns passieren. Roual! Schnell hinunter in die Longue- zu den Passagieren. Frage, ob ein Priester an Bord ist. Die Konfession ist mir egal. Das Weiterfunken hat ohnehin keinen Wert mehr, wenn meine Vermutung stimmt. Und sie stimmt. Nun leg schon endlich dieses gottverdammte Mikro aus der Hand. Sie sind wohl nicht zufällig Priester, Mister?« wandte er sich an Bill. »Ach Mist«, gab er sich selbst die Antwort. »Priester laufen nicht mit solchen Weibern rum.«
    Der Funker hastete an Bill vorbei, sprang zum Deck hinunter, verschwand im Abgang zum Aufenthalts- und Barraum.
    »Wozu einen Priester?« wollte Bill wissen.
    »Gehört auch mit zur Legende«, brummte der Kapitän und bemühte sich verzweifelt, den Gashebel noch weiter nach vorn zu drücken, doch der lag schon seit Minuten am Anschlag. Der Bug der SEA-BELL hatte sich weit aus dem Wasser geschoben. Wasser spritzte hoch wie die Fontänen eines Springbrunnens. »Es heißt, daß sie Schiffe mit Priestern nicht angreifen. Der Teufel mag wissen, warum. Ich habe mich nie um diesen Kram gekümmert. Ich hätte es tun sollen.«
    Bill Fleming war verstummt. Die Furcht hatte ihm den Mund verschlossen. Die Furcht vor dem Unbekanntem.
    Der Kapitän konnte ihm keine Erklärungen mehr geben. Er hatte auch gar nicht mehr die Zeit dazu. Er begann einen wilden Zick-Zack-Kurs zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher