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0079 - Das Gespensterschiff

0079 - Das Gespensterschiff

Titel: 0079 - Das Gespensterschiff
Autoren: Franc Helgath
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der als Historiker auf einen reichen Wissensschatz zurückgreifen konnte. »Die Inseln dort drüben waren noch bis vor knapp hundert Jahren das El Dorado für Freibeuter. Manche behaupten sogar, daß heute noch Piraten dort in ihren Schlupfwinkeln siedeln würden. Allerdings kapern sie heute keine Schiffe mehr, sondern warten, bis Boote an den Riffs auflaufen, um die Wracks dann zu plündern. Für Waren dieser Art gibt es in der Karibik einen regelrechten Schwarzen Markt. Manchmal kommt es natürlich auch noch vor, daß Schiffe regelrecht überfallen werden, aber da vermute ich doch, daß in den allermeisten Fällen die Absicht dahintersteckt, einen fetten Versicherungsbetrug zu begehen. Die Freibeuter der Neuzeit haben sich an Land angesiedelt. Sie brauchen nicht mehr die Meere zu durchkreuzen, um ihren Schnitt zu machen.«
    »Iii…«, machte Nicole. »Wenn idi mir vorstelle, wir hätten früher gelebt, und so ein Piratenschiff käme daher…« Sie schüttelte sich. »Lieber nicht. Schon der Gedanke allein macht mir eine Gänsehaut.«
    »Der Professor hat dich angesteckt«, meinte Bill Fleming nur dazu. »Er hat auch an einem zu großen Bündel an Phantasie zu tragen.«
    »Er trägt das noch mit, was du zu wenig hast«, konterte Nicole. »Mein Chef ist schon in Ordnung.«
    Bill Fleming zog es vor, zu schweigen, denn Nicole hätte Professor Zamorra in jeder Hinsicht verteidigt, und es war ein offenes Geheimnis, daß die rothaarige Französin mit den gesprenkelten Augen nicht nur Zamorras Sekretärin war. Die beiden waren sich auch menschlich sehr nahe gekommen.
    So war Nicole ebenso wie ihr Freund und Brotherr überzeugt, daß es übersinnliche Kräfte in dieser Welt gab, und daß diese Kräfte immer wieder in irdisches Geschehen eingriffen. Eine stehende Tatsache, die Bill Fleming immer noch hartnäckig verleugnete, obwohl er inzwischen aus Erfahrungen hätte klug werden müssen.
    Doch man kann eingefressene Meinungen und Vorurteile nicht einfach ablegen wie ein gebrauchtes Hemd. Das war Bills Problem. Alles in ihm sträubte sich, an Dämonen oder Okkultismus zu glauben, wobei er außersinnliche Wahrnehmungen wie Telepathie, Telekinese oder auch Praekogniation durchaus in den Bereich der Praktikabilität ein zog.
    Er war ein eng streng wissenschaftlicher Geist, und vielleicht fehlte ihm wirklich jener zündende Funke an Phantasie, den Nicole in ihrem Eifer schon erwähnt hatte.
    Die Sonne war oval und blutrot geworden, wie sich das für diese Breiten gehörte. Aus dem Blau des Himmels schoben sich rotgoldumkränzte flache Wolkenbänke, und unten im Aufenthaltsraum lärmten die erfolglosen Angler.
    »Da vorn! Ein Schiff!« sagte Nicole plötzlich und streckte die Hand in die Richtung der untergehenden Sonne aus.
    »Von den Bimini-Islands kommend?« wunderte sich Bill Fleming. »Welcher idiotische Steuermann wagt sich denn in diese gefährliche Gegend? Ich…«
    Das Wort blieb ihm im Munde stecken.
    Er wischte sich über die Augen, doch das Bild blieb. Gegen den Sonnenball, der langsam ins Meer versank und die Wellen mit Kaskaden von Licht überschüttete, näherte sich ein Zweimastschoner, ein schneller Küsten-Clipper. Doch das war es nicht einmal, was Bill so sehr irritierte.
    Es war die Geschwindigkeit, mit der dieses altertümlich anmutende Schiff sich näherte. Es mußte mindestens dreißig Knoten Fahrt machen, und diese Geschwindigkeit erreichten die schnellsten Rennsegler kaum. Dazu kam, daß fast Windstille herrschte.
    Bills Hände krallten sich um die Reling, bis die Knöchel weiß hervortraten. Selbst für einen logisch denkenden, naturwissenschaftlich vorgebildeten Menschen mußte klar werden, daß das hier nicht mehr mit rechten Dingen zugehen konnte, wenn er nicht Opfer einer Halluzination geworden war.
    Aber zwei Leute haben nicht gleichzeitig dieselbe Halluzination, und auch Nicole an seiner Seite war starr wie ein Stück Holz geworden.
    Gehetzt schaute Bill vor zum Steuerhaus, das die anderen Deckaufbauten um einiges überragte. Er sah den Kapitän der SEA-BELL durch ein Fernglas starren. Die Motoren röhrten plötzlich auf, und das Boot wurde noch schneller, obwohl es auch schon vorher nicht eben langsam gewesen war und ging auf neuen Kurs.
    Weg von dem Zweimast-Schoner…
    »Da stimmt doch etwas nicht«, knurrte Bill durch das Dröhnen der Motoren. »Ich werde mich mal erkundigen. Warte hier so lange. Ich bin sofort wieder zurück.«
    Nicole nickte tapfer, obwohl die Angst in ihrem Blick flackerte.
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