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0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1

0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1

Titel: 0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1
Autoren: Unser Staatsfeind Nummer 1
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auch nicht sehr ruhig. Neugierig, wie junge Leute häufig sind, hatte er sich in der Zwischenzeit ein bißchen über meine Akten hergemacht.
    »Hey, hey!« rief ich, als ich ihn dabei ertappte. »Das ist nichts für dich, Lemmy. Bei der Polizei ist prinzipiell alles geheim und alles vertraulich.«
    Er bekam einen roten Kopf und klappte den Aktendeckel zu.
    »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er verlegen. »Es war so langweilig hier.«
    »Junge«, sagte ich lachend, »da müßtest du mal die Langeweile mitkriegen, die einen G-man plagen kann, wenn er vom Samstag bis zum Montag früh Bereitschaftsdienst schieben muß und ein bestimmtes Zimmer nicht verlassen darf, weil ja just in dem Augenblick das Telefon klingeln könnte.«
    Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch und stellte die Schreibmaschine zurecht. In ein paar Minuten hatte ich über Lemmys Aussage das nötige Protokoll getippt und von dem Jungen unterschreiben lassen.
    Als er ging, ahnten weder er noch ich, daß in seinem Protokoll eine Kleinigkeit fehlte, durch die der ganze Fall ein anderes Gesicht bekommen hätte.
    ***
    Nachdem Lemmy mein Office verlassen hatte, ließ ich mir aus der Kantine ein Glas Milch holen. Ich brauchte einen klaren Kopf.
    Dann griff ich zum Telefonhörer und wählte den Hausanschluß unseres FBI-Fotografen, der mit einer Schar von Gehilfen unter dem Dach in einer Flut von Räumen hauste.
    »Miller«, sagte der Cheffotograf mit seiner ewig weinerlichen Stimme.
    »Cotton«, sagte ich ganz ruhig.
    »Ach du lieber Himmel!« stöhnte der Fotograf. »Na, das fehlt mir noch!«
    »Haben Sie was gegen mich?« erkundigte ich mich vorsichtig.
    »Persönlich gar nichts«, versicherte mir unser Blitzlichtschütze. »Dienstlich eine ganze Menge.«
    »Dann packen Sie aus«, riet ich ihm. »Ärger soll man sich nach Möglichkeit von der Seele reden, statt ihn zu schlucken. Das führt nur zu nervösen Störungen.«
    »So«, zeterte er. »Da Sie mich geradezu herausfordern, Ihnen meine Meinung zu sagen, dann will ich es auch tun! Wenn Sie anrufen, dann ist mir sofort klar, daß aus meinem wohlverdienten Feierabend nichts wird. Wäre ich doch nur eine Minute früher aus dem Bau gegangen! Aber nein, ausgerechnet Sie müssen mich noch erwischen!«
    Ich grinste mir eins. Jeder im Haus kannte Millers Weinerlichkeit und ewiges Stöhnen. Kein Mensch im Hause nahm das noch ernst.
    »Also, jetzt passen Sie mal genau auf, lieber Miller«, flötete ich freundlich. »Heute nachmittag ist eine Mordsschweinerei passiert. Setzen Sie sich mit Doc Ressly in Verbindung. Der hat etwas, was Sie mir fotografieren müssen.«
    »Ja, ja, ja«, seufzte Miller. »Es handelt sich also mal wieder darum, daß man eine Leiche gefunden hat, die man nicht identifizieren kann? Und ich soll jetzt ’n schönes Brustbild machen, auf lebend schminken und an die Zeitungen geben mit dem Aufruf an die Bevölkerung?«
    »Sie hätten G-man werden sollen, Miller«, frotzelte ich ihn. »Ihr Scharfsinn ist bezwingend.«
    Er murmelte etwas davon, daß es auch so etwas wie Kollegenbeleidigung gäbe. Aber so etwas hätte nur ein Betrunkener ernst genommen.
    »Wenn Sie die Bilder fertig haben, rufen Sie mich an, ja?« sagte ich noch. »Ich möchte sie mir gern mal ansehen. Ich sage unserer Pressestelle selber Bescheid. Sie müssen mir nur noch eben sagen, wann ich die Bilder ungefähr haben kann.«
    »Das hängt von der Beschaffenheit des Leichnams ab. Wenn er schon ein paar Wochen alt…«
    »Um Himmels willen!« fiel ich ihm ins Wort. »Der Tod trat heute nachmittag zwischen zwei und drei Uhr ein, und das Gesicht ist nicht verletzt.«
    »Dann wird es ‘ ziemlich schnell gehen. Jetzt haben wir gleich sechs. Sagen wir, gegen acht.«
    »Sie übertreffen sich selbst«, lobte ich. »Also dann gegen acht.«
    Ich drückte die Gabel nieder und wählte anschließend die Nummer unserer Pressestelle. Aber ich konnte geschlagene fünf Minuten warten, und es meldete sich trotzdem niemand.
    Ich rief unsere Zentrale an und fragte, ob man eine Ahnung hätte, warum sich unsere Pressestelle nicht meldete.
    »Klar, Jerry«, sagte der Kollege in der Zentrale. »Sieh mal auf die Uhr.«
    »Und?« fragte ich. »Es ist sechs. Was hat das mit unserer Pressestelle zu tun, mein Lieber?«
    »Die Büros des FBI machen um fünf Uhr nachmittags Feierabend, wenn nicht außerordentliche Fälle anliegen. Heute liegt kein außerordentlicher Fall an, wenigstens nicht in der Presseabteilung.«
    »Die hat’s gut«, stöhnte ich.
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