Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady
Autoren: A.F. Morland
Vom Netzwerk:
kopfschüttelnd.
    »Sondern?«, fragte der Professor.
    »London«, antwortete Bill.
    »Du hattest beruflich da zu tun und nahmst die günstige Gelegenheit gleich wahr, deinen Freund auf seinem Schloss zu besuchen.«
    »Wieder daneben, Zamorra«, erwiderte Fleming. »Ich war Gast eines Londoner Industriellen. Der Mann stellt militärisch wichtige Ersatzteile her… Seine Tochter, Jessica Martin, studiert russische Geschichte. Ich habe sie im vergangenen Jahr auf einer Historikertagung kennen gelernt. Ein hübsches, gescheites Mädchen ist sie. Frank Martin, ihr Vater, kann mächtig stolz auf sie sein.«
    »Verstehe«, sagte Zamorra. »Du hast auf Martins Kosten ein paar Tage Urlaub in London gemacht.«
    »Schon wieder falsch«, sagte Bill. »Kann ich noch einen Wodka haben?«
    »Verzeihen Sie, wenn ich das sage«, warf Nicole ein. »Aber Sie machen einen nervösen Eindruck, Bill. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
    »Erst den Wodka. Dann die Antwort«, sagte Fleming seufzend.
    Nicole brachte gleich die Flasche und bat Bill, sich nach Belieben zu bedienen. Fleming trank schnell. Das weckte Zamorras Besorgnis. Tatsächlich, sein Freund war seltsam erregt. Nachdem Bills Glas zum zweiten Mal leer war, meinte er, während er abwechselnd Zamorra und Nicole anschaute: »Jessica hat eine Studienreise durch Russland hinter sich… Moskau, Nowosibirsk, Irkutsk, ein bisschen Baikalsee … Und sie war auch in Akademgorod. Man sagt, dass diese Stadt den höchsten Intelligenzquotienten der ganzen Welt hat. Man bezeichnet Akademgorod als das Hirn Sibiriens. Was die Sibirier die ›große Wissenschaft‹ nennen, ist hier zu Hause.«
    Zamorra wusste über diese Stadt Bescheid.
    Er selbst würde in den nächsten Tagen dorthin reisen, denn die Universität von Nowosibirsk befindet sich in Akademgorod. Eine Stadt, von Wissenschaftlern erbaut. Vom russischen Geheimdienst ungemein streng bewacht.
    Das Hinein und das Heraus war mit unzähligen Kontrollen verbunden.
    »Und nun kommt der große Hammer«, sagte Bill Fleming und füllte sein Glas zum dritten Mal. »Jessica begegnete in dieser russischen Stadt einem jungen Hoch- und Tiefbauingenieur, und es passierte ihr etwas, wogegen wir allesamt nicht gefeit sind: Sie verliebte sich in den Jungen unsterblich. Aber das ist erst der Anfang der Katastrophe. Jessica musste Russland verlassen, als ihre Aufenthaltsbewilligung abgelaufen war. Semjon Muratow, der junge Ingenieur, musste in Sibirien bleiben. Heulend kam das Mädchen zu ihrem Vater zurück. Sie sagte ihm, sie könne ohne Semjon nicht leben, sie wolle ihn und keinen anderen Mann heiraten… Frank Martin dachte, sie würde sich allmählich wieder beruhigen. An und für sich sind junge Mädchen sehr schnell für einen Mann entflammt, aber die Zeit lässt sie allmählich vergessen, ein anderer junger Mann tritt in ihr Leben … Nun ja. Bei Jessica Martin war das nicht der Fall. Sie begann sichtlich zu verfallen. Zweimal drohte sie, sich das Leben zu nehmen, wenn sie den jungen Muratow nicht zum Mann haben könne. Frank Martin erkannte sofort, dass das keine leere Drohung war, deshalb ließ er seine Beziehungen zum britischen Geheimdienst spielen. Da er für die Regierung arbeitet, war das für ihn kein Problem. Er kam mit den richtigen Leuten zusammen und bat sie händeringend, etwas für seine Tochter zu tun. Sie rieten ihm, den offiziellen Weg zu beschreiten, und so bombardierte er Moskau mit Gesuchen, den jungen Russen ausreisen zu lassen. Auch Semjon Muratow versuchte alles, um eine Ausreisebewilligung zu erhalten. Doch Moskau blieb unerbittlich. Semjon musste bleiben. Daraufhin schnitt sich Jessica die Pulsadern auf. Man konnte sie noch retten, aber sie kündigte an, es wieder zu tun. So lange, bis es ihr gelingen würde, ihr wertloses Leben wegzuwerfen. Als man sie nach Hause brachte, traf ich in London ein. Frank Martin hatte mir ein Telegramm geschickt und mich gebeten, zu ihm zu kommen. Jessica hält von meinen wissenschaftlichen Arbeiten sehr viel. Martin war der Meinung, dass ich vielleicht auf seine Tochter einwirken könnte, dass ich sie davon überzeugen könnte, dass es keinen Sinn hat, sich das Leben zu nehmen, denn davon wird nichts besser. Aber auch ich konnte den Schmerz dieses verzweifelten Mädchens nicht lindern. Da versprach ich ihr leichtsinnigerweise, ihr zu helfen. Ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte, und trotzdem sagte ich ihr Hilfe zu. Ich weiß, dass es verrückt war, aber ich konnte Jessica nicht mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher