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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady
Autoren: A.F. Morland
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einen Weg hinaus. Er rappelte sich sogleich wieder hoch und hetzte weiter.
    Zamorra sah Vitali zwischen Blättern und Zweigen verschwinden.
    Der Niederschlag machte ihm einigermaßen zu schaffen, er kam nicht voll auf Touren. Er erbrachte etwa die gleiche Leistung wie ein Motor, der bloß auf drei Zylindern läuft.
    Aber er schenkte sich nichts, war hart gegen sich selbst, und verlangte seinem kochenden Körper das letzte ab. Bald hatte auch er den Busch erreicht. Er durchwühlte ihn mit seinen Armen, suchte die Richtung, die zuvor Semjon und dann Vitali eingeschlagen hatten, erreichte endlich den Weg, auf dem Muratow seine Flucht fortgesetzt hatte, und plötzlich stockte der Atem.
    Sein Herz schlug hoch oben im Hals. Ihm war heiß und kalt zugleich.
    Sein flatternder Blick erfasste eine schreckliche Szene: Zwei Pfeiler.
    Ein uraltes, schmiedeeisernes Gittertor dazwischen… Und davor lag Semjon Muratow. Er musste gestürzt sein, hatte sich nicht schnell genug erheben können, Vitali hatte ihn eingeholt und richtete nun mit hassverzerrtem Gesicht seine Waffe auf den Jungen …
    ***
    Mit einemmal genügten Kyrill Vitali die fernen Bleigruben nicht.
    Der Junge sollte von seiner Hand sterben. Das befriedigte ihn mehr als die Gewissheit, dass man ihn in irgendeinem Bleibergwerk langsam umbringen würde. Semjon Muratow sollte hier sterben. Von Kyrill Vitalis ruhiger Hand. ›Erschossen auf der Flucht!‹ würde es später in Vitalis Bericht heißen.
    Semjon hatte sich halb aufgerichtet. Er stützte sich auf die Ellenbogen. Zwischen den roten Flecken auf seinen Wangen waren die fahlen Flecken der Todesangst zu erkennen.
    »Erschießen sollte ich dich«, stieß Vitali aufgewühlt hervor. »Um eine Kugel hast du mich gebeten. Gut. Ich will sie dir geben. Ich werde sie dir genau zwischen die Augen setzen, Semjon Muratow! Dein Hirn werde ich dir aus deinem verdammten Schädel blasen! Mit einem einzigen Schuss!«
    Eiskalt zielte der KGB-Oberst. Semjon sah, wie sich Vitalis Finger krümmte. Zamorra war noch zu weit weg, um einschreiten zu können.
    Es war das Ende!
    Plötzlich schrie eine schrille Frauenstimme: »Kyrill! Kyrill Plotkin!« Geisterhaft hallte der Schrei durch die Nacht. Zamorra riss bestürzt die Augen auf. Das war Anja Plotkinowa gewesen. Wie hatte sie den Oberst genannt? Plotkin? Kyrill Plotkin? War er ein Nachkomme des grausamen Fürsten? Bestimmt hatte er von diesem die Grausamkeit geerbt. Verwirrt kreiselte der KGB-Oberst herum. Er konnte die Frau nicht sehen, die ihn gerufen hatte. Leichenblass war sein Gesicht geworden. Seine fiebernden Augen suchten die Ruferin, konnten sie aber nirgendwo entdecken.
    »Plotkin?«, brüllte er mit weit aufgerissenem Mund in die eiskalte Nacht. »Wieso Plotkin? Ich bin nicht Plotkin! Ich bin Kyrill Vitali! Oberst beim KGB!«
    »Du bist Kyrill Plotkin!«, kreischte die weiße Frau. »Du kennst deinen richtigen Namen. Seit Jahren warte ich auf dich. Endlich bist du gekommen! Ich werde dich töten, Kyrill. So, wie ich deinen Vater und deinen Großvater getötet habe… Du bist der letzte Plotkin. Wenn du nicht mehr lebst, ist mein Schwur erfüllt. Dann gibt es das Geschlecht der Plotkins nicht mehr!«
    »Ich bin Vitali!«, schrie der Oberst aus vollem Hals. »Vitali ist mein Name! Vitali!«
    »Dein Vater, der dumme Ochse, hat gedacht, meiner Rache entgehen zu können, indem er seinen Namen änderte«, rief Anja Plotkinowa und lachte schrill. »Aber es hat ihm nichts genützt. Du musst es doch wissen. Als sie dich beim KGB aufnahmen, musstest du doch deine Dokumente vorlegen… Alle Welt nennt dich heute Kyrill Vitali. Aber du bist trotzdem ein Plotkin. Der letzte. Und deshalb werde ich dich töten!«
    Ein Grollen ging durch den Boden. Das schmiedeeiserne Tor begann zu klappern und scheppern. Die Risse des Pfeilers vertieften sich. Helles Licht sickerte daraus hervor. Und dann war mit einem Schlag die weiße Frau zu sehen. Sie schwebte einige Zentimeter über dem Boden. Ihr Gesicht war von abgrundtiefem Hass verzerrt. Kyrill Plotkin starrte sie verstört an. Er war wie gelähmt. Seine Augen traten weit aus den Höhlen. Was er sah, überstieg sein geistiges Fassungsvermögen. Seine Vision von heute Abend fiel ihm ein. Er hatte sich in einem Sarg liegen gesehen. Mit feuerroten Würgemalen am Hals. Sollte er auf diese Weise aus dem Leben scheiden? Würde ihn dieser grauenvolle Spuk erwürgen?
    In panischer Furcht riss er die Pistole hoch. Er schoss alle Kugeln, die sich in der
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