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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady
Autoren: A.F. Morland
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steht Ihnen zu, an meinen Worten zu zweifeln. Sie kennen Zamorra nicht so gut und so lange wie ich. Ich aber kann mit ruhigem Gewissen behaupten, er ist ein Teufelskerl. Manchmal vollbringt er unmögliche Dinge. Semjon Muratow aus Sibirien herauszuholen ist ein solches unmögliches Ding. Deshalb wird Zamorra es schaffen.«
    Jessica lächelte dünn. »Ich wollte, ich hätte Ihren Optimismus.«
    Fleming beugte sich etwas vor. Er schaute dem Mädchen fest in die Augen.
    »Ich kann mir vorstellen, was man in Russland sagt: Ausgerechnet eine Engländerin. Dieser Semjon Muratow muss verrückt sein. Es gibt so viele schöne Russinnen… Und genauso denke ich. Ausgerechnet dieser Russe muss es sein. Dieses Mädchen muss seinen Verstand in Sibirien gelassen haben …«
    »Ja, Bill. Das habe ich. Ich habe mein Herz und meinen Verstand bei Semjon gelassen. Ich will, dass er mir beides zurückgibt. Hier in England. Und ich werde ihn von hier nicht mehr fortlassen, wenn ich ihn erst einmal habe.«
    Fleming wusste, dass Frank Martin, im Einvernehmen mit dem britischen Geheimdienst, bereits erste Schritte unternommen hatte, um für den jungen Semjon, sobald er englischen Boden betreten hatte, neue, gute Papiere zu bekommen. Semjon Muratow musste seine russische Vergangenheit wie ein schmutziges Hemd abstreifen – und am besten gleich verbrennen. Er würde ein neuer Mensch werden, mit einem neuen Namen, mit einer neuen Heimat, mit neuen Papieren und mit einer Frau, der kein Opfer zu groß war, um ihn in ihre ausgebreiteten Arme zu bekommen. Noch waren Jessicas Arme erwartungsvoll ausgebreitet. Entweder würden sie sich um Semjon schließen – oder um den Tod, denn darüber bestand kein Zweifel: Wenn es Zamorra nicht gelang, Muratow aus der Sowjetunion herauszuholen, würde sie sich erneut das Leben zu nehmen versuchen – und sie würde es diesmal geschickter anstellen, um Erfolg zu haben…
    Die Pubtür öffnete sich. Ein Lord, vom Scheitel bis zur Sohle, trat ein – Jack Frankenheimer. Der Mann vom Secret Service schaute sich kurz um. Dann steuerte er den Tisch an, an dem Jessica Martin und Bill Fleming saßen.
    »Warten Sie schon lange?«, fragte er, während er sich aus dem Trenchcoat schälte. Die Melone hängte er an den Huthaken. Den Schirm stellte er neben sich wie ein Soldat sein Gewehr. Er bestellte wieder einmal alkoholfreies Bier. Er trank es hektoliterweise.
    »Zehn Minuten«, sagte Bill.
    »Wie geht es Zamorra?«, erkundigte sich Jessica. Aber diese Frage hieß eigentlich: Wie geht es Semjon Muratow?
    Frankenheimer trank erst einmal. Dann schaute er auf sein Glas und hob die Schultern.
    »Er hat den Jungen noch nicht gefunden.«
    Jessica atmete schnell ein. »Vier Tage sind bereits um«, sagte sie.
    Ihre Stimme zitterte. Sie war merkbar aufgeregt. »Morgen bricht der fünfte und letzte Tag an…«
    »Er wird auch an diesem fünften Tag sein Bestes geben«, sagte Bill.
    Doch das war Jessica zu wenig.
    »Sein Bestes reicht in diesem Fall nicht«, sagte sie aufgewühlt.
    »Wenn er vier Tage erfolglos war, wird er es auch am fünften Tag sein!«
    »Semjon Muratow hat sich gut versteckt«, sagte Frankenheimer.
    »Ist der KGB immer noch hinter ihm her?« fragte Jessica.
    »So leicht gibt der KGB nicht auf«, erwiderte der Secret-Service-Mann. »Ein Oberst Vitali soll eigens aus Moskau gekommen sein, um sich Semjon zu holen.«
    »Wie sehen Sie die Chancen des Oberst?«
    »Er kennt sich in Sibirien besser aus als Zamorra.«
    »Also ist er dem Professor gegenüber im Vorteil.«
    »Das lässt sich nicht leugnen«, gab Frankenheimer zu. Daraufhin sagte Jessica nichts mehr. Sie fiel in sich zusammen, blickte auf ihre halb volle Teeschale, nagte an ihrer Unterlippe und dachte daran, auf welche Weise sie sich in der nächsten Woche das Leben nehmen sollte, ein Leben, das keinen Sinn hatte, wenn es nicht von Semjon ausgefüllt war…
    ***
    Aufgeregt stampfte Oberst Kyrill Vitali durch sein Hotelzimmer.
    Die Papirossa hing in seinem Mundwinkel. Der Rauch kringelte sich zu seinem rechten Auge hoch, er musste es zusammenkneifen, weil der blaue Dunst ein Brennen erzeugte, das ihm unangenehm war.
    Auf dem Sofa saßen die beiden KGB-Leute, mit denen er in lockerer Verbindung stand, seit er nach Nowosibirsk gekommen war. Sie spulten soeben ihren Bericht ab.
    »Die Hütte in der Taiga hat er nicht wieder betreten, Genosse Oberst«, sagte der eine, ein unscheinbarer Mann mit vorstehenden Zähnen.
    »Tag für Tag waren wir da«, sagte der
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