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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady
Autoren: A.F. Morland
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ausgestreckt hatte. Bestürzt und mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er, wie die Finger in die Deckelnut glitten, um den Sarg zu öffnen. Er wollte es verhindern, doch seine Hände machten, was sie wollten, als gehörten sie nicht ihm.
    Lasst den Sarg zu! dröhnte eine entsetzte Stimme in seinem Inneren. Lasst ihn um Himmels willen zu!
    Doch nicht Vitalis Gehirn, sondern der starke Wille eines anderen führte hier Regie, bestimmte, was zu geschehen und zu unterbleiben hatte.
    Knirschend hob sich der Sargdeckel. Ein übler Geruch nahm Vitali den Atem. Er hatte das Gefühl, daran ersticken zu müssen. Der Sarg war nicht leer. Ein Leichnam lag darin. Unter normalen Umständen empfand Vitali vor Toten keinen Ekel. Leichen vermochten ihn nicht aufzuregen.
    Er selbst hatte bereits zahlreiche Menschen liquidiert. Ihr Tod hatte ihn kaum berührt. Doch nun, hier, vor diesem Sarg, empfand er mit einemmal ein noch nie erlebtes, unerklärbares Grauen.
    Sobald er den Deckel hoch genug gehoben hatte, begann dieser zur Seite zu rutschen. Und gleich darauf polterte er auf den Boden.
    Der Knall war so laut, dass Vitali heftig zusammenzuckte.
    Nun konnte er sehen, was sich im Sarg befand. Der grausige Schock presste sein Herz jäh zusammen und wollte es zum Stillstand bringen. Gebannt stand er da. Was er sah, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen, denn er sah sich selbst in diesem tiefen schwarzen Sarg liegen. Totenblass. Steif.
    Lange schon kalt. Und an seinem Hals konnte er deutlich dunkel-rote Würgemale leuchten sehen…
    ***
    Zamorra versuchte alles, um Anja Plotkinowa aus ihrer Reserve zu locken. Er beschimpfte sie, er bespuckte den Pfeiler, in dem sie sich befand, er forderte sie mit allem heraus, was sie ärgern musste.
    Doch Anja reagierte nicht auf seine Feindseligkeiten. Noch einmal warnte Zamorra die weiße Frau: Solle es ihr einfallen, dem Ehepaar Sellnow Unglück zu bescheren, würde sie das bitter zu bereuen haben. Dann setzte er sich in seinen Moskwitsch und fuhr zum Haus der Dagorskis. Es war nicht weit bis dorthin. Er stellte den Wagen an einer Stelle ab, wo er nicht so schnell von jemandem entdeckt werden konnte. Dann schaute er sich kurz um. Die nächtliche Straße war ausgestorben. Ein schneidend kalter Wind heulte um das Gebäude. Im Haus der Sellnows ging soeben das Licht aus. Valentina und Tichon begaben sich nun zu Bett. Wahrscheinlich würden sie wieder lange nicht einschlafen können, denn die eiskalte Angst lag zwischen ihnen im Bett.
    Zamorra huschte um das Dagorski-Haus herum. Auch er fand jenes Kellerfenster, durch das Semjon Muratow in der vergangenen Nacht eingestiegen war. Mit einer kleinen Stablampe leuchtete er sich den Weg, sobald er im Haus war.
    Fünfzehn Minuten vergingen. Zamorra eilte lautlos durch die Räume. Ab und zu blieb er stehen, um zu lauschen.
    Nichts. Zamorra glitt weiter.
    »Muratow! Hier ist ein Freund! Ich will dir helfen!«
    Keine Antwort. Wenn Muratow sich im Haus befand, dann hatte er sich gewiss, als er den Schein der kleinen Stablampe entdeckte, sogleich irgendwo verkrochen. Zamorra konnte es dem Jungen nicht verdenken. Semjon musste Angst haben. Er musste vorsichtig sein.
    Er durfte niemandem vertrauen, nicht sofort. Es war leicht, zu sagen, hier ist ein Freund. Und doch konnte es eineaalglatte Lüge sein, die problemlos über die gespaltene Zunge rutschte.
    Zamorra nahm sich das Obergeschoss vor. Er suchte so gründlich nach Semjon Muratow, dass er, als er ihn nicht finden konnte, sicher war, der Junge würde sich nicht im Haus befinden. Er blieb oben an der Treppe stehen und lauschte. Der Wind jaulte und jammerte unheimlich. Trotzdem wusste Professor Zamorra, dass dieses Gebäude kein Spukhaus war. Er hätte es gespürt. Seit er Jagd auf Geister und Dämonen machte, hatten sich in seinem Inneren hochempfindliche Sensoren entwickelt, die das Böse zu orten vermochten, wenn es sich in seiner Nähe befand. Hier meldete sich kein Misstrauen – also war es ein ganz gewöhnliches Haus, von den Leuten zum Spukhaus hoch geschwatzt…
    Zamorra überlegte, ob er hier drinnen auf Muratow warten sollte.
    Enttäuschung erfüllte ihn. Er hatte fest damit gerechnet, den Jungen hier anzutreffen. Aber dieser verzwickte Fall war nirgendwo so angelegt, dass man ihn mühelos in den Griff bekam. Möglicherweise wusste der Junge gar nichts von diesem Geisterhaus. Dann hatte es auch keinen Sinn, hier auf ihn zu warten, denn dann kam er nicht.
    Vielleicht trieb sich Semjon ganz wo
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