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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen
Autoren: Michael Kubiak
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zwei Meter. Ihre Körper entsprachen etwa denen von zwölfjährigen Knaben. Aber ihnen musste eine immense Kraft innewohnen. Mit geradezu wahnwitzigem Tempo schwangen sich die beiden Wesen in die Lüfte und stiegen hinauf in die Schwärze des Nachthimmels.
    Sie stießen dabei schrille Schreie aus, welche wie ein Triumphgesang klangen. Ja, es war ein Triumph für sie. Die satanische Macht dessen, den sie verkörpern sollten, hatte sie aus ihrer jahrhundertelangen Starrheit erlöst. Sie hatten sich bewegt und konnten nun ein freies Leben führen. Sie zogen um die Kirche weite Kreise. Allmählich schraubten sie sich immer tiefer zur Kapelle. Nun konnten sie schon deutlich jede einzelne Dachschindel ausmachen. Wie Raubvögel landeten sie auf dem First und klammerten sich mit ihren Klauen an den Vorsprüngen und Unebenheiten fest.
    Lauernd ließen die Wesen ihre Blicke schweifen. Sie spürten deutlich den fremden Willen, der in ihren Schädeln bohrte und sie zu weiterem Handeln trieb. Sie konnten sich der drängenden Stimme nicht widersetzen und mussten die gegebenen Befehle befolgen.
    Hüpfend näherten sie sich nun der Kante des Kirchendaches. Sie sicherten noch einmal nach allen Seiten, dann ließen sie sich wie Steine in die Tiefe fallen. Dicht über dem Erdboden breiteten sie die Flügel aus und fingen elegant den Sturz ab.
    Ein letztes Herumschwingen noch, dann standen sie vor dem Portal, hinter dem sie den wussten, der berechtigt war, über sie zu verfügen.
    Ihr tierischer Instinkt sagte ihnen das, und darauf konnten sie sich verlassen.
    Sie hüpften die Treppe zum Kirchentor empor und blieben dort stehen.
    Der eine von ihnen versuchte, die Tür zu öffnen. Er breitete einen Flügel aus und testete die Klinke mit der missgestalteten Hand am Flügelende. Die Tür war verschlossen.
    Der eine trat zurück, nahm einen kurzen Anlauf und warf sich mit dem Kopf voran gegen die massiven Eichenbohlen.
    Das Donnern hallte weit durch das Dorf. Doch erstaunlicherweise rührte sich niemand. Keinem schien der Lärm aufzufallen.
    Wieder rannte das Wesen mit dem Kopf gegen die Tür. Und abermals ertönte das dumpfe Dröhnen, als der Schädel, der wieder aus Stein zu bestehen schien, die Holzplanken traf.
    Unter Splittern und Krachen schwang ein Türflügel zurück. Das Schloss hatte dem urweltlichen Ansturm nicht standgehalten und war herausgebrochen.
    Das Flackern der beiden Kerzen drang nach draußen. Die beiden Ungeheuer hätten den Lichtschein nicht gebraucht, denn sie konnten auch bei Nacht sehen.
    Mordius hatte sich in seinem Sarg halb aufgerichtet. Schweiß stand auf seiner gefurchten Stirn. Das Herbeirufen der dämonischen Mächte kostete viel Kraft.
    Fanatisches Feuer glühte in seinen Augen. Ein heiseres Stöhnen entrang sich seiner Brust und ein stummer Jubel stieg in ihm auf.
    Er hatte es geschafft. Er hatte den Satan auf seiner Seite. Jetzt konnte ihm nichts mehr passieren. Mit gierigen Blicken verfolgte er den Weg der beiden Flugbestien. Sie hüpften schwerfällig auf ihn zu und stellten sich rechts und links von der Totenkiste auf.
    Sie schienen auf etwas zu warten. Mordius begriff. Das waren seine Boten und Sklaven, die ihn überall hin bringen würden.
    Mordius wusste genau, wie sein nächstes Ziel hieß. Château de Montagne!
    Im gleichen Augenblick, in dem er den Namen dachte, kam Leben in die beiden Flugungeheuer.
    Schwerfällig kletterte Mordius aus dem Sarg. Er machte einige Schritte, um sich aufzuwärmen und näherte sich dann den Flugwesen.
    Sie machten ihm bereitwillig Platz. Sie schlugen mit den Flügeln und sprangen auf die Kanten des Sarges. Dann breiteten sie ihre Flügel noch weiter aus und lösten sich von der Totenkiste.
    Sie überflogen Mordius, der ihnen gebannt zuschaute, bis sie ihn erreicht hatten.
    Da streckte er plötzlich die Arme aus und schnappte mit den Händen nach den Füßen der Kreaturen.
    Er bekam sie zu fassen und schloss die Hände um die Gelenke.
    Wie festgeschweißt saßen sie dort, als der ungeheure Ruck seine Arme aus den Schultergelenken zu reißen drohte.
    Mit traumwandlerischer Sicherheit glitten sie durch das Kirchenportal. Dann gewannen sie die freie Fläche vor der Kirche und verstärkten den Schlag ihrer mächtigen Flügel.
    Wie ein Stein, den man auf einem Turm loslässt, stürzte die Erde unter ihnen weg. Die Kirche wurde immer kleiner, und die fliegenden Ungeheuer änderten den Kurs. Sie kannten ihr Ziel genau.
    Château de Montagne. Dort lebte der Mann, dem der
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