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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen
Autoren: Michael Kubiak
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Dimension seinen abgestorbenen Geist erreichten.
    Seine versengten Fingerkuppen glitten über das raue Holz, aus dem der Sarg gezimmert war. Die Fingernägel rissen Splitter und Späne aus der Struktur des organischen Materials.
    In konvulsivischen Zuckungen schlugen die Fersen des Untoten gegen die Bohlen der schmucklosen Totenkiste. Die Wände der Kirche warfen das hohle Rumpeln vielfach verstärkt zurück.
    Mordius öffnete den fast zahnlosen Mund. Seine Augen waren weit geöffnet und starrten zur Kuppel des geweihten Hauses empor.
    Und dort glaubte er ein Abbild dessen zu erblicken, den er gerufen hatte.
    Es war mehr wie eine allegorische Darstellung, mit der man immer wieder im Laufe der Jahrhunderte versucht hatte, dem Satan ein Gesicht zu geben. Doch das Gesicht erschien nicht wirklich an der Decke der Kapelle. Es war vielmehr eine Projektion dieser Vorstellungen, die für Mordius real sichtbar wurde.
    Der Hass brannte in dem Untoten. Er hatte eine neue Niederlage einstecken müssen, doch diesmal wollte er Sieger bleiben in dem Zweikampf zwischen Gut und Böse, verkörpert durch Professor Zamorra und ihn. »Hilf, Satanas! Hilf!« In den unhörbaren Schrei mischte sich die unmenschliche Wut auf den, der ihn in diese Lage gebracht hatte.
    Und Satanas antwortete. »Ich höre wohl, Mordius. Ich habe kommen sehen, was dich in diese traurige Situation geführt hat. Und ich habe es nicht verhindert, obwohl ich es sehr leicht hätte tun können. Ich beobachte gern, wie Menschen auf der Erde in meinem Sinne handeln. Und wenn sie versagen, so ziehe ich meine Hand von ihnen und überlasse sie ihrem Schicksal. Du sollst mein Wohlwollen ein letztes Mal erfahren. Ich werde dir noch einmal helfen. Doch es soll das letzte Mal sein.«
    Mordius wollte dem Höllenfürsten danken. Da traf ihn ein Gedankenstrahl und ließ ihn erneut zusammenzucken.
    »Schweig, denn ich rede jetzt. Ich werde dir helfen. Aber du wirst nach meinen Spielregeln spielen. Zamorra ist hier zu stark. Seine Heimat und die Nähe zu seinen Vorfahren gibt ihm zuviel Kraft. Er würde dich hier wieder bezwingen, vielleicht sogar für alle Ewigkeit. Darum muss er von hier fortgelockt werden. Und ich will dir helfen, das zu bewerkstelligen. Zamorra wird dir folgen, wenn du ihm das richtige Zeichen gibst. Ich denke da an ein kleines Dorf in den Karpaten, der Heimat der Vampire. Dort wird dir eine Schar zur Seite stehen, mit deren Unterstützung du rechnen kannst. Denn seit Jahrhunderten haben die Vampire dort kein Opfer mehr gehabt, ihre Gier kennt keine Grenzen mehr.«
    Mordius wälzte sich in seinem engen Gehäuse hin und her. Der Kopf rollte von einer Seite auf die andere. Die Kerzen drohten zu verlöschen, tief neigten sich die Flammen, als würde ihnen der Sauerstoff entzogen.
    »Höre weiter«, fuhr die Stimme aus dem Jenseits fort. »Ich werde dir zwei Kreaturen zur Seite geben, die dich dorthin bringen werden, wo du den Professor erwarten kannst. Zuvor gib ihm aber die richtigen Zeichen, damit er auch weiß, wo er dich finden kann. Auf den Pfeilern rechts und links des Tores, das auf den Kirchhof führt, sitzen zwei Steinfiguren, die das Böse verkörpern sollen. Es sind zwei symbolhafte Flugwesen, halb Vogel, halb Fledermaus. Sie werden zu deiner Verfügung stehen. Und ich werde dir die Kraft geben, sie zum Leben zu erwecken.«
    Ein neuer Energiestrahl traf das tote Hirn des auf entsetzliche Art und Weise zum Leben erweckten Wissenschaftlers. Diesmal war es keine Warnung, sondern die satanische Kraft, die Eingang fand in seinen Körper. Sie erfüllte ihn bis in jeden Winkel und vermittelte ihm die Gewissheit, dass er seine Rache doch noch realisieren würde.
    Seine Gedanken wurden zu unsichtbaren Armen, die sich über die Wände der Kirche tasteten und ihren Weg nach draußen fanden. Die Stimme des Höllenfürsten verstummte, und die tastenden Fühler des Untoten fanden das beschriebene Ziel, das regungslos im fahlen Schein des Mondes dalag und nur darauf wartete, der Ankündigung gemäß benutzt zu werden…
    ***
    Es waren zwei grässliche Fratzen, die den Eingang zum Kirchengrundstück bewachten. Vor Jahrhunderten hatte ein unbekannter Künstler sie aus zwei Marmorblöcken herausgehauen. Die Gestalten, die symbolhafte Darstellungen des Bösen und der Dämonen waren, krönten zwei Säulen, zwischen denen das schmiedeeiserne Tor aufgehängt war.
    Die Figuren duckten sich tief und starrten mit ihren blicklosen Steinaugen auf einen Punkt in der Mitte des
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