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0020 - Im Landhaus der Schrecken

0020 - Im Landhaus der Schrecken

Titel: 0020 - Im Landhaus der Schrecken
Autoren: Friedrich Tenkrat
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sie wieder allmählich zu leben begonnen. So grausam sich das auch anhören mag: Das Leben geht eben weiter. Dagegen kann man nichts tun.
    Jacqueline Flagg kam an einem venezianischen Kristallspiegel vorbei. Sie blieb kurz stehen und warf einen prüfenden Blick auf ihr Spiegelbild. Für eine Frau von fünfundvierzig Jahren sah sie noch erstaunlich attraktiv aus.
    Es gab eine Menge Männer, die ihr, seit sie sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte, den Hof machten. Die meisten waren vermutlich scharf auf das beträchtliche Vermögen, das sie geerbt hatte, aber es gab auch einige seriöse Bewerber.
    Sie war zu allen freundlich, doch sie ließ keinen von ihnen darüber im unklaren, daß sie nicht mehr die Absicht hatte, sich noch einmal zu verheiraten. Einmal war genug. Jeder andere Mann hätte zwangsläufig im Schatten ihres ersten Gatten leben müssen. Und keiner von denen, die sie haben wollten, hätte den Vergleich mit Jerome Flagg ausgehalten.
    Das teure, mit Brillanten besetzte Smaragdhalsband schimmerte herrlich auf Jacquelines weicher, heller Haut. Das Schmuckstück hatte schon sehr viel Bewunderung an diesem Abend gefunden. Es war eines der letzten Geschenke gewesen, die Jerome Flagg seiner Frau gemacht hatte. Vielleicht trug sie es gerade deshalb besonders gern.
    Eine innere Unruhe befiel die Frau.
    Sie wandte sich nervös vom Spiegel ab und setzte ihren Weg fort.
    Sie verließ das Haus, ohne sich die Nerzstola zu holen. Sie fühlte keine Kälte.
    »Jacqueline!« flüsterte ihr jemand aus der Dunkelheit zu.
    Sie wandte sich in diese Richtung, war kein bißchen verwundert. Sie wußte ja, daß sie hier draußen erwartet wurde. Der Partylärm versickerte für sie in der Schwärze der Nacht.
    Sie ging auf eine kleine Gruppe von Nordmanntannen zu.
    »Komm, Jacqueline!« lockte das Flüstern. »Komm zu mir!«
    Und sie ging mit festem Schritt über den Rasen, direkt in die Tannengruppe hinein.
    Plötzlich war da ein aggressives Hecheln. In diesem Moment kam Jacqueline zur Besinnung. Jetzt erst nahm sie bewußt wahr, wo sie sich befand, und sie spürte auch die beißende Kälte auf ihren nackten Oberarmen. Verdattert blickte sie sich um. Es war ihr ein Rätsel, wie sie hierherkam. Hatte sie zuviel getrunken? Unsinn, die zwei Gläser Whisky konnten sie niemals so benebeln, daß sie nicht mehr wußte, was sie tat. Nach dem tragischen Tod ihres Mannes hatte sie oft getrunken, weil sie vergessen wollte.
    Machte sich vielleicht zum erstenmal eine gewisse Verkalkung bei ihr bemerkbar? Lächerlich. Doch nicht mit fünfundvierzig.
    Sie wollte sich umdrehen und zum Haus zurücklaufen.
    Da ließ sie ein tierhaftes Fauchen jäh erstarren. Aus der Dunkelheit glühte ihr ein furchterregendes Augenpaar entgegen. Jacqueline hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand würde sich um ihr Herz legen und kräftig zudrücken. Sie hielt den plötzlichen Schmerz in ihrer Brust kaum aus. Ihr Gesicht verzerrte sich. Panik befiel sie.
    Der Unhold, der hier draußen auf sie gewartet hatte, machte zwei schnelle Schritte auf sie zu.
    Jacqueline glaubte, den Verstand verloren zu haben, als sie ihn erblickte. Er war kein Mensch.
    Er war ein Monster.
    Eine Bestie – so abscheulich anzusehen, daß Jacqueline Flagg die Haare zu Berge standen. Sie faßte sich entsetzt an die hämmernden Schläfen, und im nächsten Augenblick entrang sich ihrer wie zugeschnürten Kehle ein wahnsinniger, gellender Schrei. Sie zuckte herum und wollte loshetzen, doch das Scheusal ließ ihr nicht die geringste Chance. Die schrecklichen Klauenhände sausten auf Jacqueline Flaggs Hals zu. Ihr Schrei riß jäh ab.
    Blut quoll aus tiefen, tödlichen Wunden.
    Das war das Ende.
    ***
    Noch zehn Minuten bis Mitternacht.
    Die Stimmung in Oscar Nolans Haus wurde von den Gästen so sehr hochgeschaukelt, daß Jacqueline Flaggs Todesschrei ungehört im Gelächter unterging. Jane Collins löste sich aus dem Ring von Männern, der sie umgab. Sie kam mit leicht schwingenden Hüften und einem warmen, vielversprechenden Lächeln zu John Sinclair.
    »Ich glaube, es wird Zeit, daß ich mich auch ein bißchen um dich kümmere«, sagte die Privatdetektivin mit ihrer weichen, einschmeichelnden Stimme. »Schließlich haben wir uns vorgenommen, das alte Jahr gemeinsam zu verabschieden.«
    John legte seinen Arm liebevoll um die Taille des aufregenden Mädchens. Jane trug ein tiefdekolletiertes Lurexkleid, in dem sie hinreißend aussah. Für John war sie an diesem Abend die Schönste.
    »Sekt!« rief
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