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0017 - Wolfsnacht

0017 - Wolfsnacht

Titel: 0017 - Wolfsnacht
Autoren: Michael Kubiak
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Windschutzscheibe prallte. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, und sie sank über dem Lenkrad zusammen.
    Aber dann gewann der Schreck doch die Oberhand, sie öffnete die Tür, ließ sich aus dem Wagen gleiten und stolperte auf die Straße, um nach dem armen Kerl zu sehen, den sie angefahren hatte. Zumindest war sie der festen Überzeugung, daß es sich um einen späten Spaziergänger handelte, den sie nicht bemerkt hatte in ihrer Müdigkeit.
    An der Stelle, wo es zu dem Zusammenprall gekommen war, glänzten Blutstropfen auf dem Asphalt. Doch das vermeintliche Unfallopfer konnte sie nirgends entdecken.
    Ein eisiger Schreck durchzuckte sie. Sollte sie den armen Kerl so hart erwischt haben, daß er in die Büsche am Straßenrand geschleudert worden war?
    Sie zitterte am ganzen Körper. Widerstreitende Gedanken erfüllten ihr Bewußtsein. Gehetzt blickte sie sich um. Nichts rührte sich. Nur die Grillen zirpten ihre ewigen Gesänge. Ein leiser Wind ließ die Blätter der hohen Pinien rascheln.
    Eigentlich würde ihr niemand eine Schuld nachweisen können, wenn sie sich wieder in ihren Wagen setzte und davonfuhr. Doch ihr Sinn für Recht und Ordnung behielt die Oberhand.
    Zögernd lenkte sie ihre Schritte zu einer Lücke im dichten Buschwerk, wo der ihrer Meinung nach Schwerverletzte liegen mußte.
    Doch sie umfing nur ein drohendes Schweigen. Die Dunkelheit unter dem Blätterdach schien wie mit riesigen Fangarmen nach Franca zu greifen und sie weiterzuziehen.
    Auch hörte sie kein Stöhnen, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre.
    Das Mädchen drang immer weiter vor. Da sie in der Aufregung vergessen hatte, die Taschenlampe aus dem Handschuhfach mitzunehmen, war sie nur auf ihren Tastsinn angewiesen. Wie eine Nachtwandlerin schritt sie durch dieses üppig bewachsene Gelände, die Hände weit vorgestreckt, damit sie nirgendwo gegenstieß.
    Ein leises Schnauben ließ sie verharren. Fröstelnd drehte sie sich um und ließ den Blick angestrengt schweifen. Nichts. Sicher nur eine Ratte, wie es sie hier zu Tausenden gab. Schließlich handelte es sich hier um ein stark besuchtes Urlaubsgebiet, und die Campingplätze waren für allerlei Getier ein bevorzugtes Jagdrevier.
    Franca Capolli zweifelte fast an ihrem Verstand. So schnell war sie doch gar nicht gefahren! Also war es auch geradezu unmöglich, daß sie so weit von der Straße entfernt auf den Verletzten treffen könnte.
    Sie wollte schon umkehren, mit dem Vorsatz, die ganze Angelegenheit in der Polizeistation von Limone, dem nächsten Ort, zu melden, als sie das Gefühl hatte, als würde irgend etwas in ihren Gedanken sie zwingen, weiterzugehen. Unwillkürlich setzten sich ihre Beine wieder in Bewegung.
    Sie gelangte an eine kleine Lichtung, die der Mond in sein fahles weißliches Licht tauchte. Unbeirrbar ging sie auf den gegenüberliegenden Waldrand zu.
    Sie bemerkte nicht die glühenden Augen, die gierig jeden ihrer Schritte verfolgten. Erst als sie die beiden Lichtpunkte vor sich sah, schien sie wach zu werden.
    Instinktiv wich sie zurück. Doch da wuchs vor ihr rasend schnell ein wahres Monstrum in die Höhe, dessen Umrisse an ein vierbeiniges Raubtier erinnerten.
    In panischem Schrecken gellte ihr Schrei auf. Sie wandte sich um, wollte davonrennen. Da traf sie bereits ein beißender Lufthauch im Nacken. Sie wurde brutal zu Boden gestoßen. Noch einmal schrie sie verzweifelt auf, dann schlug Francas Kopf auf einen Stein, und sie versank in bodenlose Tiefen…
    ***
    Verträumt betrachtete Nicole Duval ihren Chef, Professor Zamorra, von der Seite. Konzentriert blickten seine grauen Augen durch die Windschutzscheibe auf die Straße, die von den Scheinwerfern des Citroën aus der Finsternis gerissen wurden. Fest lagen seine nervigen Hände auf dem Lenkrad. Rasant aber sicher prügelte er den Wagen durch die zahlreichen Kurven der Gardesana Occidentale, dieser herrlichen Straße, die am Westufer des Gardasees die Verbindung zum Süden darstellt. Nicole räusperte sich. »Sie brauchen mir nicht unbedingt zu zeigen, daß an Ihnen ein Grand-Prix-Fahrer verlorengegangen ist, Chef. Mag sein, daß Sie mit Ihren geheimnisvollen Dämonen im Bunde stehen und von diesen Phantasiegestalten beschützt werden. Ich vertraue lieber auf irdische Zaubersprüche, und die sagen mir, daß Sie viel zu schnell fahren.«
    Der Professor lächelte amüsiert. Er nahm zwar den Fuß vom Gaspedal, so daß der Wagen seine Fahrt spürbar verlangsamte, doch gleich drosch er ihn wieder
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