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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett
Autoren: Monica Dickens
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beide Handgelenke mit einer Hand zu packen, und aufgebracht standen sie sich heftig atmend gegenüber. Heathers rechte Hand zuckte, als ob sie David ohrfeigen wollte.
    »Kann er nicht noch etwas bleiben?« schlug Oliver besänftigend vor. »Es ist ja noch früh, und er hat noch nichts vorgelesen bekommen.« David sah kritisch von einem zum anderen, neugierig, wer siegen würde. Schließlich sah er, wie Heather Oliver ein Gesicht schnitt.
    »Ach Ollie, wirklich «, sagte sie, »wozu machst du erst solche Vorschläge. Ich wollte ihn früh im Bett haben. Ich muß Susan noch füttern, muß mich noch umziehen und mich zurechtmachen. Stanford kommt heute zum Abendessen.«
    »Seinetwegen brauchst du dich nicht so umzubringen. Er wird dich immer bildhübsch finden — und wenn du ihm frühmorgens als erstes über den Weg liefst.«
    »Sei nicht albern«, sagte sie reichlich schnippisch. »David, hör mal zu, kommst du jetzt mit, ohne Theater zu machen? Ich habe heute gerade genug von dir. Deinetwegen bin ich völlig fertig mit den Nerven. Du bist wirklich ein wenig netter kleiner Junge, wo ich heute doch so schrecklich viel zu tun habe.«
    Jetzt macht sie einen großen Fehler, dachte Oliver. Wenn sie an sein besseres Ich appelliert, verfehlt das jedesmal seine Wirkung. Als David wieder die Röte ins Gesicht schoß, sagte er: »Warum gehst du nicht ruhig schon ‘rauf, und er leistet mir hier noch ein wenig Gesellschaft? Ich werde ihn schon ‘raufschicken, wenn ich genug von ihm habe.«
    »Wenn du davon überzeugt bist, daß er dir nicht zur Plage wird. Ich bin ja nicht der Meinung, daß gerade David ein idealer Gesellschafter für jemanden mit einem schwachen Herzen sein dürfte.« Sie ergriff den Milchbecher und stellte Stuhl und Schemel wieder an ihren Platz unter dem Wandtisch zurück, auf dem die Getränke standen. »Hier ist ein Stück Apfelstrudel für Evelyn — falls sie zu erscheinen geruhen sollte. Wenn sie dann noch Hunger hat, kann sie sich von dem Kuchen in der grünen Büchse nehmen. Sag ihr, sie soll sich nicht unterstehen, den Obstsalat anzurühren; er ist für heute abend.«
    Im Hinausgehen hörte sie David in einer Lautstärke, die er für ein Flüstern hielt, zu Oliver sagen: »Jetzt kann ich doch unter die Decke gucken, ja?«
    »Wenn du Onkel Oliver schikanierst, mußt du mit mir ‘raufkommen«, teilte sie ihm mit.
    »Einmal«, fuhr David fort und ignorierte den Einwurf seiner Mutter völlig, »habe ich unter Evies Bettdecke geguckt, und da war ein kleiner Hund drunter und ein Kätzchen.«
    »Wie niedlich«, sagte Oliver.
    »Empörend«, sagte Heather und rauschte hinaus.
    Während Oliver David vorlas, ließ er seinen Gedanken freien Lauf und dachte über seine jüngere Schwester nach. Wie würde John sie finden, wenn er wiederkam? Er hatte sie seit über einem Jahr nicht gesehen oder nur selten ganz kurze Zeit, seit sie im ersten Kriegsjahr geheiratet hatten. Oliver hatte sie kaum zusammen erlebt. Man nahm allgemein an, daß sie sehr verliebt ineinander seien, und so schloß sich Oliver dieser Meinung an. War Heather reizbar, so nickten sich alle verständnisvoll zu, als wollten sie sagen: »Wir müssen etwas nachsichtig sein. Sie vermißt eben ihren John.«
    John hatte nie erlebt, mit welchem Schwung sie ihre Mutterpflichten erfüllte. Er hatte nie das Baby gesehen, das sie wickelte, wusch, vollstopfte, und das alles im Übermaß. Der Krieg hatte jeden verändert, Heather aber mehr als alle anderen. Sie sah zwar immer noch so aus wie früher: Kindergesicht, ein bißchen zu rund, primelfarbene Haare, die so lockig waren, daß sie angeblich lieber glatte gehabt hätte, immer etwas Klimperndes am Handgelenk — und jetzt natürlich noch dies kleine, goldene Kreuz um den Hals — , dicke Waden und schmale Füße, nur war sie früher nicht so fahrig und reizbar gewesen. Sie war sehr unausgeglichen, unzufrieden mit sich selbst. Manchmal zerfloß sie in mütterlicher Liebe, und dann wieder war sie schrill und gereizt wie eine Proletenmutter, die ihren Kindern auf der Straße eins um die Ohren haut. David wußte bei ihr nie, woran er war.
    Manchmal behandelte sie ihn wie einen Erwachsenen und manchmal wie ein Wickelkind; einmal wie ein Paradestück und einmal fast wie einen jugendlichen Verbrecher.
    Sie schien ständig gejagt, selbst wenn die Kinder im Bett waren, so, als ob sie die Fähigkeit zu innerer Entspannung verloren hätte. Manchmal setzte sie sich mit dem Flickkorb in Olivers Zimmer, aber ständig
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