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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett
Autoren: Monica Dickens
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würde, wenn er heimkäme. Er hoffte, sie würden dann noch einige Zeit auf Hinkley bleiben, damit er beobachten könnte, wie sie miteinander auskamen. Seit er im Bett lag, verspürte er ein ungeheures Interesse an dem Gebaren anderer Menschen, das er vorher nicht gekannt hatte. Er hatte früher nie sehr viel Notiz von seiner Familie genommen. Sie beschäftigte ihn jetzt viel stärker, allerdings beobachtete er sie mehr als Außenstehender, als daß er an ihrem Leben teilnahm. Er liebte den Gedanken, daß er sie nun viel besser verstünde. Gewiß, früher hatte er nie viel Gelegenheit gehabt, sie verstehen zu lernen.
    Seine Mutter kam herein in einer heliotropfarbenen Schürze, die vorn eine Reihe Taschen hatte mit den Aufschriften, wie »Scheren — Strippen — Verschiedenes — Band — Geld«, und die - genau wie die Töpfe in der Küchenanrichte für Reis, Zucker, Tee, Kaffee und Korinthen — erstaunlicherweise auch das enthielten, was darauf stand. Darunter trug sie ein Kleid in einem kräftigen Lavendelton, über dem die verwaschenen Töne ihres Haares um so matter wirkten. Als sie sich umwandte, um sich ein Glas Sherry einzugießen, sah Oliver, daß sie ihr bestes Korsett trug. Ach ja, natürlich, Stanford Black wurde erwartet. »Wo ist Schwester Gray?« fragte er. »Sie sagte, sie wolle dir helfen.«
    »Ich nehme an, sie deckt den Tisch. Sie erbot sich, in der Küche zu helfen, aber wir essen heute abend kalt, und ich sagte ihr: >Mein liebes Kind, ich habe das Essen schon so oft allein gemacht, daß ich es heute auch noch fertig bekomme.< Sie sagte darauf, sie wisse, wie Mayonnaise gemacht wird, aber man kann nie sicher sein, und ich weiß doch, wie gern du meine Mayonnaise hast.«
    »Die beste, die ich kenne«, sagte Oliver gehorsam. Seine Mutter nippte an ihrem Glas und stellte es auf die breite, hölzerne Einfassung des alten Tudorkamins. »Ich sollte eigentlich mal nachsehen, ob sie fertig wird«, sagte sie, »vielleicht findet sie nicht alles. Sie scheint eine nette Person zu sein, findest du nicht auch, Liebling? Behandelt sie dich richtig? Bist du wirklich zufrieden mit ihr?«
    »Sie ist sehr ordentlich«, sagte Oliver, »viel netter als Sandy.«
    »Na, dazu gehört nicht viel. War Violet schon hier? Sie ist wirklich ein Kreuz. Nie ist sie zum Essen fertig. Ich werde Evelyn nach ihr schicken, fürchte aber, daß die auch noch nicht da ist. Das Kind läuft einfach wild herum, weißt du. Ich kann mir nicht vorstellen, was Bob dazu sagen wird.«
    »Allen Respekt vor deinem Bruder, aber er scheint nicht viel Interesse für sie zu haben.«
    »Aber das ist nicht nett, Liebling. Du weißt, daß er sie nicht zu sich nach Amerika nehmen kann, ehe er nicht ein richtiges Zuhause hat. Er ist eben zu beschäftigt. Wenn Violet kommt«, sagte sie im Hinausgehen, »erinnere sie daran, daß wir Besuch haben. Ich mag nicht, daß sie wieder in diesen Hosen und dreckigen Schuhen erscheint, wie letzte Woche, als Mrs. Ogilvie da war. Sag ihr, sie soll das blaue Kleid mit dem weißen Kragen anziehen.«
    »Sie ist doch alt genug, um selber auszusuchen, was sie anziehen will.«
    »Ich weiß nicht, ob sie das je lernen wird.« Mrs. North ging bis zur Tür, kam zurück, nippte an ihrem Glas, setzte ein Lächeln auf und verschwand.
     
    Für Olivers ältere Schwester hätte man bestimmt keinen weniger passenden Namen finden können als Violet. Aber wer hätte bei der Taufe voraussehen können, daß sich das Baby so merkwürdig entwickeln würde? Mrs. North war schon als junges Mädchen etwas plump gewesen, aber sie war von wohliger Fülle, und Mr. North war in keiner Weise dick gewesen. Violet aber war wie ein üppiger Maisstengel hochgeschossen. Mit zwölf Jahren war sie das größte Mädchen in der Schule, mit Zähnen wie Grabsteine und Gliedmaßen so tolpatschig, daß sie ständig verbeult und vernarbt waren; mit zwanzig war sie beinahe sechs Fuß groß, flach wie ein Brett, aber kräftig und muskulös; jetzt mit dreißig konnte sie Männerarbeiten verrichten, ohne zu ermüden, und hatte, wie der Schuhmacher in Shrewsbury Mrs. North versicherte, die größten Damenfüße in Shropshire. Sie kam herein mit Khakihemd und Khakischlips von Oliver, einem grünen Pullover, Reithosen, Golfstrümpfen und mit Schuhen wie Elbkähne. Sie war begleitet von einem alten Labrador und einem jungen roten Setter, der mit einem wilden Satz auf Oliver zusprang, die Läufer durcheinanderfegte und mit kleinen Jaultönen am Bett hochsprang, wobei
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