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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel
Autoren: Baum Vicki
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Sie sind beim ›Weißen Schwanen‹ abgestiegen, der Kellner war hier, sich rasieren lassen, der hat es erzählt. Einer davon soll ein berühmter Medizin-Professor sein. Sie gehören zu dem Herrn Karbon aus Berlin, sagt der Kellner.«
    »Ach, das ist ja interessant«, erwidert die Bürgermeisterin und hebt den gewaschenen Kopf mit den nassen Haaren aus der Waschschüssel. »Ein Professor? Hat denn unser Doktor wieder etwas verpatzt, daß sie einen andern kommen lassen?«
    Achselzucken des Fräuleins. »Die Frau Doktor scheint sich ja besonders gut mit dem Herrn Karbon zu stehen, nach allem, was man sieht und hört.« Achselzucken der Bürgermeisterin. »Tja – gestern im Kino jedenfalls …«
    Peter Karbon war noch im Pyjama, als die drei fremden Herren ihn aufgesucht hatten. Ein Breiter mit quadratischem, rotbraunem Freiluftgesicht und der scharf abschneidenden weißen Stirn des Offiziers und Fliegers: Erich von Mollzahn, der zweite der vier Ehegatten, die Leore Lania bisher geheiratet hatte. Ein schwarzer Riese mit Haaren auf den Händen, gebrochenem Nasenbein, mit russischem Akzent und russischem Baßlachen: Franz Alberts Trainer Simotzky. Ein schlanker, mittelgroßer Herr, an dessen Vorderseite sich unvermittelt ein kleiner Bauch vorwölbte und der kluge Augen über einem eiteln und dekorativen Spitzbart besaß: der berühmte Dermatologe Geheimrat Professor Raiffeisen. Den Arzt und den Flieger kannte Karbon flüchtig von irgendwelchen gesellschaftlichen Anlässen her, und mit dem Trainer duzte er sich sogar.
    »Wir haben uns in Schaffenburg die alte Karre gechartert, ich war zu ungeduldig, um auf den Bummelzug hier herüber zu warten«, berichtete der junge Mollzahn. »Bibi hat großen Alarm geblasen, ich war schwer besorgt um sie. Da bin ich aus Holtenau losgesockt, sobald ich konnte, Ihr Herr Bruder war so freundlich, mich an Herrn Geheimrat von Raiffeisen zu empfehlen – ja. Da sind wir nun, und die Lebensrettung kann losgehen. Wie steht es heute mit Bibi?«
    »Heute – Bibi – ich habe mit Pittjewitt heute noch nicht gesprochen«, antwortete Karbon und schaute mit getrübtem Gewissen seine roten Saffianpantoffeln an.
    »So«, sagte Herr von Mollzahn nur darauf. Er war sechsundzwanzig Jahre alt und hatte klare, runde, ungemütliche Vogelaugen. »Wenn Bibi SOS signalisiert, dann hat sie es bitter nötig, daß man ihr zu Hilfe kommt, soweit ich Bibi kenne«, sagte er noch.
    »Wir können in zehn Minuten zu Pittjewitt hinausfahren«, entgegnete Peter Karbon darauf. »Ich glaube, daß es ihr besser geht, als Sie annehmen.«
    Der Geheimrat, an die Fensterscheibe trommelnd, äußerte: »Ich bin nur Ihrem Herrn Bruder zuliebe hierher gekommen. An und für sich gibt es nichts Undankbareres, als eine verkorkste kosmetische Operation zu verbessern. Wenn die Dame nervös ist – sie muß wahrscheinlich darauf gefaßt sein, daß ich die ganze Narbe exzisiere und eine neue Naht anlege. Ich begreife in diesem besonderen Fall ja die Wichtigkeit, die das ästhetische Resultat des Eingriffes besitzt – aber …«
    Der Trainer Simotzky, der sich auf unaufgeklärte Weise der kleinen Rettungskolonne nach Lohwinckel angeschlossen hatte, fand, daß zu viel Wesens von der Lania hergemacht wurde. Die behaarten Hände auf die Schenkel gestützt, zog er unwirsche und besorgte Erkundigungen über seinen Boxer ein, über dessen Nervenzustand, Appetit, Schlaf, Lebenswandel, Muskelverfassung und Gewicht. »Junge, Junge«, bemerkte er finster, »in drei Wochen soll mein Kleiner in den Ring gegen Kid Rowles. Wie soll ich den Jungen in drei Wochen fit machen, wenn du ihn erst gegen Baum fährst und dann noch er frißt sich an sechs Pfund über Gewicht?«
    Peter Karbon, von so viel Verantwortlichkeit belastet, bat die Herren, einige Minuten in der Gaststube auf ihn zu warten, bis er sich angezogen haben würde. Er war reichlich schläfrig und spürte ein schweres und unbefriedigtes Gefühl in der Magengrube. Zwei Stunden morgendünner Träume hatten sich zwischen ihn und die Brandnacht geschoben. Er empfand Sehnsucht nach einem englischen Frühstück, einem ordentlichen Teller Porridge als Unterlage. Statt dessen verbrannte er sich den Mund an dem heißen, aber gehaltlosen Kaffee des ›Weißen Schwanen‹.
    Telefongespräche. Der Trainer Simotzky mit dem frenetisch erregten, ungeduldigen Boxer Franz Albert, der ihm hilflos entgegenwimmerte wie ein Säugling seiner Amme. Erich von Mollzahn mit dem Fräulein von Raitzold, das er
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