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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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‘n Chips. Und ließen unsere Nerven etwas Blues tanzen. Glück im Unglück war auch etwas wert.

    Die Sonne stand fahl über einem entfernten Wäldchen. Milchsonne über dem Tauwald. Das hohe Gras, auf dem wir köstlich geschlafen hatten, war am anderen Morgen sehr naß, Schuhe und Hosenbeine nach kurzer Zeit auch.
    Farmer und Farmerin lehnten auf der Unterhälfte der Waschküchentür. Wir verabschiedeten uns.
    Was wir bezahlen müßten?
    Was wir wollten!
    Nicht ungeschickt. Ich gab drei Pounds und erntete ein zufriedenes Lächeln. Dann öffnete der Bauer das Gatter, ließ uns hinaus, sah uns nach, stand da, in seinem Blaumann, sehr schlank, mit weißen Locken.
    Und die Kühe wateten durch Modder und Matsch auf dem Ochsenpfad zu der Wiese mit dem weichen, hohen Gras.

    Der Zug fuhr gegen Mittag, so daß wir vorher noch Zeit hatten, uns den Ort anzusehen, die vielen kleinen Läden mit ihren Schildern, auf die die Inhaber ihre für uns unaussprechlichen cymrisch-walisischen Namen geschrieben hatten.
    Die Bahnstation war seit Anfang des Jahres nicht mehr besetzt, Halle, Warteräume und Toilette abgeschlossen. Bei Fragen sollte man ‘the Master of the Region’ in Carmarthen anrufen, der uns von einem aufwendigen vierfarbigen Plakat hinter Glas anlächelte. Carmarthen war vierzig Kilometer entfernt. Ach Europa!
    Bevor wir noch unser Keep Smiling wieder einüben konnten, ging alles sehr schnell. Wir standen zufällig richtig vor dem Wagen mit dem Mini-Gepäckabteil, eine junge, nette Zugbegleiterin half wortlos, Plätze zu finden für uns und die Räder und verzichtete bei der Fahrkartenkontrolle mit einer lässigen Handbewegung auf die Bezahlung für die Räder. Thanks! Auch das ist Europa.
    Wir aßen Äpfel, während das Grün der Hügel an uns vorüberzog, dazwischen Häuser, bunt und grau, mit grünen Rändern, mit roten Regenabflußrohren.
    Good bye, Wales!

    Wir kommen nach Fishguard Harbour. Der Zug fährt in die hell und freundlich gestaltete Halle am Anleger. Ilse nickt anerkennend, sie ist selten mit Bahnhöfen einverstanden, weder mit der Ästhetik noch mit der praktischen Seite. Hier scheint alles zu stimmen. Die Tickets kosten 36 Pfund, die Räder reisen umsonst. Ilse nickt wieder zufrieden, da kann der Seefahrt nicht mehr viel im Wege stehen.
    Ab in den Bauch des Schiffes, unten ins С-Deck zu den Trucks. Noch ist es leer, wir sind die ersten. Während ich versuche, mit den vorhandenen Seilenden die Räder festzubinden — wie geht denn bloß noch dieser Knoten-, kommt uns ein Ire von der Besatzung zu Hilfe. Ich überlasse ihm den Seemannsknoten, den Palstek, der sich auf Druck zusammenzieht, auf Zug leicht wieder aufgeht. Den hätte ich wohl vorher üben sollen. Oben auf Deck können wir windgeschützt hinter Glaswänden im Freien sitzen, auf den Bänken für die Life Belts, den Rettungswesten. Vor uns hängen Rettungsboote und Rettungsinseln in sauber gestrichenen und gut gefetteten Davits. Ilse nickt. Jetzt steht der Seefahrt nichts mehr im Wege.
    Sie holt zwei Guinness nach draußen.

    Wir haben es bald geschafft. Langsam beginnt die Hektik der viertägigen Bahnfahrt nachzulassen. Sonnenstrahlen wärmen unsere Gesichter, der Wind hat auf Nordwest gedreht, weht uns entgegen. Bei der Überfahrt soll uns das egal sein, das wird der Dampfer schon schaffen.
    »Gut, daß wir Speichen an den Rädern haben.«
    Ilse ist verwundert. »Wieso, was sonst, du könntest doch gar nicht fahren ohne ... !«
    »Ich meine wegen des Nordwest, der könnte sonst nicht so gut hindurchblasen, das ist doch praktisch .«
    »Du bekommst kein Bier mehr .«
    Ich hänge meinen Gedanken nach. Denke an unsere beiden anderen Irlandfahrten mit dem VW-Bus, 1977 und 1980. Damals haben wir mehrere Grafschaften bereist, die Wicklow Berge, Dublin, Mayo, Donegal, auch kurz das englische Nordirland. Mit den Rädern werden wir uns beschränken müssen, aber die Counties Waterford, Tipperary, das Gebiet am Shannon, Clare, Kerry und die Halbinsel Dingle müßten zu schaffen sein.
    Die Überfahrt ist ruhig, dauert ungefähr dreieinhalb Stunden. Die letzten Hügel von Wales sind kaum am Horizont verschwunden, da entdecken wir die ersten Hügel Old Ireland’s.
    »Kommt nach oben, Irland anschauen !« ruft ein Ire seinen Begleitern zu; sie trapsen gemeinsam die Blechtreppe zum obersten Deck hinauf, schauen ernsthaft voraus, wie Auswanderer, die erstmals die langersehnte Freiheitsstatue erblicken.
    Der einsam auf einem Felsbrocken hockende weiße
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