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Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Titel: Zwischen uns die Zeit (German Edition)
Autoren: Tamara Ireland Stone
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den Atem an.
    » Uno«, beginnt es hinter mir von vorn, und jetzt kenne ich nicht nur seinen Namen, sondern weiß auch, wie sich seine Stimme anhört.
    Als das Durchzählen beendet ist, verteilen wir uns im Raum und setzen uns zu unserer jeweiligen Gruppe. Bennett sitzt im anderen Teil des Klassenzimmers, sodass wir bis zum Ende des Unterrichts voneinander getrennt sind. So unvermutet, wie er plötzlich hinter mir auftauchte, ist er jetzt wieder in weite Ferne gerückt. Aber dadurch kann ich ihn wenigstens besser beobachten.
    Er trägt die gleiche Uniform wie die anderen Jungs: schwarze Hose, weißes Hemd und darüber einen schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt. Ich glaube, er hat Doc Martens an, auch wenn ich das aus der Entfernung nicht mit Sicherheit sagen kann. Ein Detail unterscheidet ihn allerdings auffällig von den anderen Schülern an der Academy, und das sind seine Haare. Die anderen haben alle eher klassische Kurzhaarschnitte, aber Bennetts Haare sind so lang, dass er sie sich hinter die Ohren streifen kann, was er auch regelmäßig tut, wenn sie ihm ins Gesicht fallen. Abgesehen von dem schwarzen Parka weiß ich nicht mehr, was der Typ auf der Tribüne angehabt hat, aber an diese Haare erinnere ich mich ganz genau. Das ist er. Irrtum ausgeschlossen.
    Als es dreißig Minuten später gongt, springen alle um mich herum gleichzeitig auf, drängen zur Tür und versperren mir die Sicht. Ich beschließe, Bennett auf dem Weg zur Cafeteria abzufangen, und bücke mich schnell nach meinem Rucksack, aber bevor ich zu ihm aufschließen kann, ist er schon im Gewühl der anderen Schüler auf dem Flur verschwunden.
    ***
    Ein paar Minuten später stoße ich die Schwingtür zur Cafeteria auf und das Erste, was ich sehe, ist– er. Mit dem Rücken zur Fensterfront sitzt er allein an einem Tisch in der Ecke. Ich hole mir an der Frischetheke einen Salat, nehme eine Banane, fülle mir einen großen Becher Cola und spähe dabei die ganze Zeit verstohlen in seine Richtung. Allerdings hätte ich mir die Mühe auch sparen und ihn ganz offen anstarren können. In den fünf Minuten, die ich brauche, um mein Mittagessen zusammenzustellen, sieht er nämlich nicht ein einziges Mal von dem Taschenbuch auf, in dem er beim Essen liest.
    Als ich mein Tablett auf unserem Stammtisch abstelle, an dem bereits meine und Emmas Freundin Danielle sitzt, wird mein Blick wieder wie magisch in Bennetts Richtung gezogen, der sich gerade einen Löffel roten Glibberpudding in den Mund schiebt und eine Seite in seinem Buch umblättert.
    » Na? Checkst du den Neuen aus?«, fragt Danielle grinsend.
    Ich werde rot. » Was? Nein!« Eilig setze ich mich hin und greife nach meiner Cola, um meine Verlegenheit zu überspielen. » Wie kommst du denn darauf?«
    » Mir kannst du nichts vormachen, Anna. Ich habe dich beobachtet. Sehr beeindruckend, wie du dir quasi blind deinen Salat auf den Teller geladen hast, weil du ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hast. Mit der Nummer könntest du im Fernsehen auftreten.«
    Ich spüre, wie mir wieder die Röte in die Wangen schießt.
    Danielle lacht und nimmt einen Schluck von ihrer Cola. » Du hast Talent, solltest aber noch ein bisschen an deiner Taktik feilen, von wegen Unauffälligkeit und so.« Dann beugt sie sich vor und tätschelt mir tröstend die Hand. » Keine Sorge. Der ist so in sein Buch vertieft, dass er sowieso nichts mitbekommen hat.«
    In dem Moment kommt Emma atemlos angelaufen, knallt ihr Tablett auf den Tisch und lässt sich in den Stuhl fallen. » Und? Was halten wir von unserem Neuzugang?«, fragt sie mit verschwörerischem Unterton.
    Danielle lehnt sich mit ihrem Stuhl so weit zurück, bis er nur noch auf den hinteren beiden Beinen balanciert, und sieht völlig ungeniert über die Schulter zu Bennett rüber. » Schwer zu sagen.« Sie lässt ihren Stuhl wieder nach vorne kippen und zuckt mit den Achseln. » Er scheint überhaupt nichts um sich herum mitzukriegen. Meint ihr, der weiß überhaupt, dass noch andere Leute im Raum sitzen?«
    » Ich finde, er sieht schon ein bisschen älter aus, irgendwie reifer«, sagt Emma. Ich tue so, als würde ich mich im Raum umschauen, bevor ich meinen Blick unauffällig wieder auf Bennett richte. Dass er älter aussieht, finde ich eigentlich nicht, Danielle hat es eher auf den Punkt gebracht. Er wirkt auf gewisse Weise distanziert, so als wäre es ihm egal, dass er hier ist und von allen neugierig angestarrt wird– und genau das macht ihn interessant. Jedenfalls
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