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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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hast. Wie spüren wir diesen Hundesohn auf?“
    „Zuerst werde ich den ehrlosen Idioten finden, der den Artikel im ‚Oracle‘ verbrochen hat. Ob er will oder nicht, er wird mir seine Quellen nennen. Aber es wird nicht reichen herauszufinden, wer der Feigling ist, der dahintersteckt. Der Schaden ist bereits angerichtet.“ Er wandte sich wieder zum Fenster und starrte hinaus in das immer heftiger tobende Unwetter. „Ich werde ihnen allen einen besseren Gesprächsstoff liefern müssen.“
    Jack verschluckte sich fast an seinem Brandy. „Besser als Sex und Skandale? Es gibt nichts, was die Londoner Gesellschaft mehr liebt.“
    „Oh doch, kleiner Bruder.“
    „Was?“, fragte Jack. Im selben Moment erhellte ein ungeheurer Blitz den Raum.
    In dem kurzen Moment der Stille, der folgte, antwortete Charles: „Heirat.“
    Seinem Bruder blieb der Mund offen stehen. Donner erschütterte den Himmel.
    „Heirat? Mit wem?“, brachte Jack hervor.
    „Mit der selbstgefälligsten Dame, die du in diesem Misthaufen, der sich ‚feine Gesellschaft‘ schimpft, auftreiben kannst, denke ich.“ Charles hob die Schultern. „Wie es scheint, kann ich mich nur auf eine Weise von den Exzessen meiner Vergangenheit reinwaschen: indem ich dafür sorge, dass meine Zukunft langweilig wird. Ich weiß auch nicht … stell eine Liste auf. Nur die Prüdesten und Korrektesten kommen in Frage. Ich heirate die, die an erster Stelle landet.“
    Donner hallte erneut durch das Haus. Die Fenster klirrten in ihren Rahmen. Hinter ihnen löste sich das Porträt ihres Vaters aus seiner Verankerung, krachte auf den Kaminsims und kippte mit dem Gesicht nach unten vors Feuer.

2. KAPITEL
        
    Mit federndem Schritt, die Zeichenmappe unter den Arm geklemmt, schritt Sophie Westby so schwungvoll durch Cheapside, dass ihr Dienstmädchen Mühe hatte, Schritt zu halten. Ein böiger Wind fegte mit dem Verkehr um die Wette durch die Straßen, ließ ihre Röcke flattern und zerrte an der Schleife, die ihre Haube festhielt. Sophie hob das Kinn, atmete die stechende Luft tief ein und lächelte entzückt. London mochte schmutzig, stinkig und überraschend farblos sein, aber es war auch ein riesiger, überschäumender Kessel voller Leben .
    Nach ruhigen Jahren auf dem Lande begann es in ihrem eigenen Leben mit einem Mal zu brodeln. Raumgestaltung war schon immer ihre Leidenschaft gewesen, und um ihrer liebsten Freundin Emily Lowder zu helfen, sich von ihrer ungewöhnlich schweren Entbindung zu erholen, hatte sie vorgeschlagen, gemeinsam das Kinderzimmer einzurichten. Sie hatten so viel Spaß gehabt, und Emily war von dem Ergebnis so bezaubert gewesen, dass sie Sophie auf der Stelle für die Umgestaltung ihrer dunklen, voll gestopften Salons engagiert hatte. Die neu eingerichteten Zimmer waren anlässlich der Geburtstagsfeier des kleinen Edward Lowder präsentiert worden und bei den Gästen sehr gut angekommen.
    Sogar Viscountess Dayle, die vornehmste Dame der Gegend, war äußerst beeindruckt gewesen. Ihre Ladyschaft hatte ein prüfendes Auge auf die neu eingerichteten Zimmer sowie auf deren Gestalterin geworfen, und dann hatten sich die Ereignisse überschlagen: Lady Dayle hatte sie für die Saison in die Stadt eingeladen – und ihr ein riesiges Einrichtungsvorhaben in Aussicht gestellt.
    Bevor Sophie wusste, wie ihr geschah, fand sie sich fern von ihrem Heimatort Blackford Chase, einquartiert im Londoner Wohnsitz der Lowders, und wurde auf einmal von allen Seiten ermutigt, ernsthaft ihrer gestalterischen Arbeit nachzugehen. Und war völlig begeistert darüber.
    Vielleicht legte sie etwas zu viel Begeisterung an den Tag, sonst hätte sie sich bestimmt nicht entschlossen, ihre Kutsche zu verlassen, die im Gewirr der Fahrzeuge stecken geblieben war. Ohne auf den Protest ihres Dienstmädchens zu hören, hatte Sophie den Kutscher instruiert, wo er sie abholen sollte, und war zu Fuß weitergegangen. Und sie bereute es nicht. Beim Laufen fühlte sie sich viel mehr als Teil der Stadt und weniger als Beobachter.
    „Zeitungen! Der ‚Augur‘!“ Der Zeitungsjunge mit dem schweren Sack voller Gazetten auf der Schulter war vielleicht zehn Jahre alt. Seine Hände waren mit Druckerschwärze verschmiert, sein Gesicht hingegen war sorgfältig gewaschen, und seine Augen weckten in Sophie spontan den Wunsch, ihn zu zeichnen. Eine alte Seele lächelte sie aus diesem jungen Gesicht hoffnungsvoll an.
    „Zeitung, Miss? Sie kostet nur sechs Pence und ist voll mit den neuesten
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