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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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gesellschaftlichen Ereignissen.“ Er bemerkte zwei feine junge Damen, die aus einem Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite traten, und schwenkte seine Zeitung in der Luft, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. „Zeitungen! Der ‚Augur‘! Mehr aufregende Geschichten über den verruchten Lord Dayle!“
    Er hätte keinen verlockenderen Köder auslegen können. Auf der Stelle kaufte Sophie eine Ausgabe und wandte sich ihrem Dienstmädchen zu, das ihr aus dem Personal des Lowderschen Stadtwohnsitzes zugeteilt worden war. „Würdest du das bitte in deiner Tasche verstauen, bis wir zu Hause sind, Nell?“
    Das Mädchen sah verwirrt aus. Sophie lächelte es an. „Du kannst sie haben, sobald ich damit fertig bin.“
    Tratsch war den Dienstboten fast so viel wert wie Gold, und Sophie wusste, dass sie eine Verbündete gewonnen hatte, als Nell die Zeitung mit schalkhaft leuchtenden Augen einsteckte. Sie fasste ihre Zeichenmappe fester und widmete sich wieder voll der anstehenden Aufgabe: den Laden eines besonders renommierten Tuchhändlers zu erreichen.
    Das Schicksal war ihr endlich gewogen, und sie war entschlossen, das Beste daraus zu machen. Das war ein Grund, warum ihr die heutige Besorgung so am Herzen lag. Obwohl sie noch keine Ahnung hatte, was für ein Projekt Lady Dayle plante, wollte sie sie beeindrucken. Themenwelten, aufeinander abgestimmte Farbpaletten und einiges weitere konnte sie schon im Voraus planen und später individuell anpassen. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie eine Vielfalt an Ideen und Auswahlmöglichkeiten zu bieten haben, anhand derer sie schnell den Geschmack der Viscountess näher ergründen konnte. Und nach Abschluss des Projekts würde Lady Dayle stolz auf sie sein, das schwor sie sich.
    Das schuldete sie der Dame, die so freundlich und großzügig zu ihr war. Tatsächlich hat Lady Dayle keine Ahnung, wie viel ihre Freundlichkeit mir bedeutet, dachte Sophie. Denn sie konnte nicht wissen, dass sie sie durch die Einladung nach London der Erfüllung zweier ihrer Herzenswünsche näher gebracht hatte.
    Zum einen waren das natürlich die unglaublichen Chancen, die sich ihr durch ein Projekt in London bieten würden. Wenn ihre Inneneinrichtungen in der gehobenen Gesellschaft gut ankamen, wäre so viel gewonnen!
    Zum anderen, und eigentlich noch wichtiger, würde sie dank Lady Dayle möglicherweise Charles wiedersehen. Ihr Herz machte bei dem Gedanken einen Sprung.
    Sie fragte sich, ob die Viscountess von ihrer Beziehung wusste – aber vielleicht war „Beziehung“ das falsche Wort. Eher „Freundschaft“, vermutlich, denn er war wirklich ihr Freund gewesen. Ihr Gefährte, ihr Vertrauter, der Ritter ihrer Jugend.
    Neugier zauberte ein verstohlenes Lächeln auf ihr Gesicht, als sie an die Zeitung in Nells Tasche dachte. Wie gern sie die Berichte über seine Untaten las. In den letzten Jahren hatte sie seinen ruchlosen Werdegang mit derselben schelmischen Freude verfolgt, die sie empfunden hatte, wenn er ihr von seinen Schuljungenstreichen erzählte. Sie konnte es kaum erwarten, ihm jede skandalöse Einzelheit zu entlocken. Das war ihr liebster Tagtraum: sie beide, wieder vereint, wie sie zusammen lachten und Pläne schmiedeten, genau wie früher. Beflügelt schritt sie schneller aus.
    „Miss!“, keuchte es hinter ihr. „Ist es noch sehr weit, Miss?“ Nell klang außer Atem.
    „Nicht viel weiter, glaube ich.“
    Um Nells willen ging Sophie langsamer und beschloss, sich nicht von der fernen Vergangenheit oder der unsicheren Zukunft ablenken zu lassen und sich voll auf die gegenwärtige Aufgabe zu konzentrieren.
    Das war leichter als erwartet, denn Cheapside bot mit seiner Vielfalt an Geschäften und Handwerkern aller erdenklichen Sorten ein Potpourri für die Sinne. Sophie rümpfte die Nase, als sie die heiße Luft vor der Silberschmiede einatmete, und noch mal, als sie den derben Geruch der frischen Farben der Tuchmacher roch. Sie bestaunte im Vorübergehen das Schaufenster eines Graveurs, blieb aber erst stehen, als sie das entzückende Geschäft eines Teehändlers entdeckte.
    Der Laden hatte wohl einst über ein Bogenfenster verfügt, das umgebaut worden war, um einer bezaubernden kleinen Laube Platz zu bieten. Wie in einer Miniaturausgabe eines Pariser Kaffeehauses stand dort ein kleiner Tisch, an dem vermutlich Kunden sitzen und neue exotische Teesorten probieren konnten. Die Sitzgelegenheiten waren es, die Sophies Aufmerksamkeit so fesselten.
    „Nell, sieh dir nur diese
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